Ansprache von Dr. Claudia Rönn-Kollmann zur Eröffnung der Ausstellung von
Fabian Gatermann
Licht als Phänomen
am 17. März 2019 in der
Skulpturenhalle der
Stiftung für Konkrete Kunst Roland Phleps
in Freiburg
Fabian Gatermann, den ich mit seiner Familie herzlich begrüße, lebt und arbeitet in München. Der 1984 geborene Künstler hat Kunst, Kommunikationswissenschaft, Design und Ingenieurswissenschaft in Wien, Köln und Brasilien studiert. In diesem Spannungsfeld lässt er seine Objekte entstehen. Dabei arbeitet Gatermann bewusst in Zwischenräumen abseits von Funktionalitätsbegriffen von Design und Kunst, kann sich somit ganz auf die Essenz von Material einlassen und seine Objekte auf das Wesentliche reduzieren. Als Ausgangspunkt nimmt er Phänomene, vor allem aber Licht als universelle Metapher für Erkenntnis und Wahrnehmung.
Seine Kunst ist immer Medium und Einladung zur Kommunikation. Oftmals besteht sie aus komplexen, netzartigen und lebendigen Gebilden, durchlässig für Emotion, Stofflichkeit und Inhalt (siehe die City Light Charts an der Stirnwand der Galerie). Er benutzt dabei konkrete und konstruktivistische Elemente, um ein Plädoyer zur in sich ruhenden Sinngebung und zum Reichtum der Ausgangsmaterialien sichtbar zu machen.
Ich zitiere: Die Prinzipien von Reihung, Ordnung
und Iteration geben meinen Objekten Form, die ich mit
(Algo-)rhythmus, Farbe und Disruption aufbreche. Dabei dienen mir
die Konkrete Kunst, die ZERO Bewegung aber auch das Critical
Design als gestalterische Kräfte. Mit Kunst möchte ich den Diskurs
über die Prinzipien und Energien des Lebens auf eine poetische
Weise zum Ausdruck bringen.
Das Werk des Künstlers zeichnet sich durch thematische und
mediale Vielfalt aus. Dabei schließen mediale
Diversität und inhaltliche Konsequenz einander nicht
aus
, wie die Kunsthistorikern Anna Wondrak (Zwischen
Struktur und Emotion, im Katalog "membrana", 2018)
ausführt. Alle seine Werke kreisen um Fragen der Reihung, Ordnung
und Struktur. Dabei ist der Künstler immer an einem bestimmten
Phänomen, z. B. Licht, interessiert und möchte dieses durch
unterschiedliche Herangehensweisen von allen Seiten untersuchen,
durchdringen, sichtbar werden lassen.
Die Arbeiten von Fabian Gatermann lassen sich in ihrer
Ungegenständlichkeit, dem Fokus auf Farbe, Form und Linie sowie
ihrem strukturellen Ansatz im weitesten Sinne im Feld der
Konkreten Kunst verorten. Ich zitiere: Ganz nach
Richard Paul Lohse, einem der Hauptvertreter der Konkreten Kunst,
ist es auch ein Ziel von Fabian Gatermann, durch seine Kunst
Strukturen und Systeme zu visualisieren und weiterzuentwickeln.
Die dabei verwendeten Materialien und die unbedingt gewünschte
Aktivierung des Betrachters siedeln ihn auch noch in einem anderen
Bereich an – bei der ZERO Künstlergruppe rund um Heinz
Mack
, der im Jahr 2000 als einer der ersten Gäste in
unserer Ausstellungshalle eine Einzelausstellung präsentierte und
sich zudem im Jahr 2004 an der Gemeinschaftsausstellung zum
80igsten unseres Stifters Roland Phleps beteiligt hat.
In der hier präsentierten Ausstellung "Licht als Phänomen" stellt Fabian Gatermann die Frage nach der intensiven Interaktion von Licht, Farbwirkung, Fläche und Form zur Diskussion. So zeigt die Ausstellung Lichtskulpturen aus den Serien MoodPoem (Stirnwand unten), LightEdge (vorne links), City Light Chart (Stirnwand Galerie) sowie Papierreliefzeichnungen (Galerie links), Holzintarsien (Galerie links), Luxlumina (Cyanotopien, Galerie rechts) und die LenseFlare, ein Unikat (siehe auch vergrößerte Abbildung auf der Einladungskarte zur Vernissage).
In vielen seiner Arbeiten, wie LightEdge, MoodPoem, oder Lense Flare, rückt die Bewegung des Lichts ins Zentrum seiner künstlerischen Tätigkeit. Sei es die Bewegung des Lichts, die im Auge des Betrachters durch den Blickwinkel- oder Beleuchtungswechsel auf das statische Kunstwerk entsteht oder die Bewegung, die durch die Kinetik des Werkes selbst erzeugt wird. In einigen Werken zeigt der Künstler Interesse an der Lichtreflexion und deren Rolle bei der Erzeugung einer räumlichen Veränderung. Gatermann untersucht dabei das neue Verhältnis von Werk und Umraum. In der Bewegung und Reflektion entfaltet das Licht die Klarheit der reinen Farbe und der dynamischen Schwingung im Raum. So transzendieren die Konstruktionen der Werke und die Vielfältigkeit der Formen des Lichts und erweitern die Grenzen der Perzeption.
Die Leuchte LenseFlare ist ein Experiment, flexibel und spannend wie ein Versuch, der immer wieder zu neuen Ergebnissen führen kann. Auf Basis einer optischen Bank kann mit in allen Richtungen verschiebbaren und drehbaren Spiegeln das Licht geteilt und neu zusammengesetzt werden. Der Aufbau versucht nicht zu kaschieren, sondern zeigt die Entstehung von Licht in seiner essenziellsten Form.
Die Serie MoodPoem (Stirnwand unten) ist die konsequente Übersetzung eines analogen und organischen Lichtprinzips, welches alle Farben immer in einem harmonischen Verhältnis zueinander setzt. Die zwei entgegengesetzten Farbmischungsverfahren (additive Farbsynthese / subtraktive Farbmischung) verbinden sich in der Lichtskulptur. Der mittelformatige Diarahmen gibt dem Objekt seine Form und erzeugt ein Farbspiel im dreidimensionalen Raum. Wechselnde Lichterscheinungen entwickeln eine fortlaufende Dynamik, die sich immer von Neuem konfiguriert. Über ein spezielles Farbverfahren mit Pigmenten und Tinte auf dem Glas wird eine ganz besondere Brillanz der Farbwirkung geschaffen, die für jedes Objekt individuell von Hand, in eigenem Rhythmus komponiert wird (z. B. mit der Hilfe der Fernbedienung). Jede Arbeit ist dadurch ein Einzelstück, bei dem die theoretisch unendlichen Möglichkeiten der Technik, der Ebenen von Filter und Lichtspektrum bewusst limitiert sind. Die Anordnung der einzelnen Segmente des Werks ist gleichmäßig und das System der Farbverteilung erscheint nahezu arithmetisch. Und - wie bei einem Kirchenfenster - erzeugt das Muster der kompilierten Elemente in Kombination mit dem Licht ein im Wandel begriffenes Gesamtkonstrukt.
Im Erdgeschoss sind exemplarisch auch frühe Arbeiten des Künstlers ausgestellt, die seine Auseinandersetzung mit den Prinzipien von Reihung, Ordnung und Iteration zur Formgebung seiner Objekte zeigen; auf der linken Seite ein "Wimmelbild" (Briefmarken) und auf rechten "Alutghama" (Ticketbild). In seiner Edition 99 Dots (vorne links) sind grell leuchtende Aufkleber von Hand auf Büttenpapier aufgetragen. Bei jedem Bild jedoch ist eine der 100 Positionen durch die Nummer der Edition ersetzt. Das Thema der Reihe ist die Interaktion des Künstlers und mit seinem Sammler. Der Dot mit der Nummer 100 ist bei jeder Edition für den Künstler reserviert und verbindet somit den Sammler mit dem Künstler.
Gatermanns Kunst ist nicht an Galerien oder Museen gebunden. Er
präsentiert seine Werke auch im öffentlichen Raum.
Zunächst verspürte ich einen inneren Impuls, einen
öffentlichen Raum mit Lichtkunst statt Werbung bespielen zu
wollen. Somit kann ich Menschen mit Kunst erreichen, die für einen
Museums- oder Galeriebesuch normalerweise schwer zu begeistern
sind.
(Fabian Gatermann in seinem Katalog
"membrana", 2018).
Der Künstler verwandelte eine der
Frankfurter U-Bahn-Stationen während der Luminale 2018 in eine
begehbare Lichtinstallation - die City Light Charts
(Stirnwand auf der Galerie). Ausgangspunkte für die City Light
Charts waren beispielsweise Börsen-Kurse wie die der Autoindustrie
("Car Industry") und des Dow Jones Index sowie der
Vermögensverteilung in der Bevölkerung ("Poor vs.
Rich"). Fabian Gatermann erstellt diese Kunstwerke über
Algorithmen und computergenerierte Reihungen einzelner
Kursverläufe und abstrakter Zahlenwerte. Davor hat er in einem
Selbstversuch an unterschiedlichen Börsen investiert, um den
emotionalen Sog der Kursverläufe nachzuvollziehen. Das
Zusammenspiel zwischen harten und weitgehend inerten Daten mit
künstlerischer Interpretation erzeugt komplexe, netzartige und
lebendige Gebilde, die durchlässig sind für Emotion, Stofflichkeit
und Inhalt – Sie erinnern sich, meine Damen und Herren, Kunst
ist für Gatermann immer Medium und Einladung zur
Kommunikation.
Gern setze ich unseren 'Vernissagen-Rundgang' fort und verweile einen Augenblick bei den Cyanotopien, den Luxlumina-Arbeiten. Sie sind oben links auf der Galerie nach dem Gradienten Prinzip platziert, sodass in der Richtung zur Hallenmitte und im Strahlenverlauf des einfallenden Lichts die Werke zunehmend dunkler werden. Bei diesen Werken besteht eine Beziehung zwischen dem Licht als Datenmaterial und dem Licht als Verfahrensgrundlage. Die dargestellten Daten sind ein Beleg für die Doppelnatur des Lichts als Welle und als Teilchen, Da aber das Licht auch der integrale Bestandteil des Cyanotopie-Verfahrens ist, nimmt es im Werk eine mehrfach besetzte Rolle an.
Den Lichtskulpturen und chemischen Verfahren gegenüber stehen Werke, die Gatermann mit Hilfe von organischen Materialien entwickelte. Auf der Galerie links befinden sich Holzintarsien und Papierreliefs, die sich stilistisch und in der Anfertigung von den anderen Werken unterscheiden. Die Beziehung zwischen Holz und Papier, so Gatermann, ähnele der Bindung zwischen Eltern und Kind. Holz und Papier - gleiches Material in unterschiedlicher Ausprägung. Die gleiche Struktur wird auf den Reliefs tradiert, im Unterschied zum Druck, aber nur der Teil, den der Künstler über die Prägung auf das Papier transportiert. Die Papierreliefzeichnungen sind auf weißem Papier gefertigt, im Zentrum steht die Maserung. Die feinen Strukturen werden nur durch Licht und Schatten definiert und erkennbar gemacht. Das Herstellungsverfahren wurde von ihm selbst entwickelt und perfektioniert. Die Zeit, die Spuren in uns hinterlässt, sieht er abstrakt im Papier in den Jahresringen. Der Baum ist das Ausgangsmaterial, das uns zeigt, immer nach dem Licht zu streben, sagt der Künstler.
Im Kontrast zu den monochromen Reliefs stehen seine Holzintarsien. Die warme Maserung des Holzes wird dabei geometrischen Formen und Farben gegenübergestellt. Hier hat er die Analogie des Holzes als Metapher gewählt, um eine Brücke zum Menschen zu bauen.
Und hier schließt sich ein Kreis. Auch wenn Fabian Gatermann
viele Elemente konkreter und konstruktivistischer Kunst verwendet,
so kann er keineswegs dieser reinen Lehre zugeordnet werden. Er
ist diesbezüglich ein "Grenzgänger", der es sich auch
erlaubt, seine emotionale Betroffenheit einzubringen und seinen
gestalterischen Kräften anzuvertrauen. "Morgens",
"Mittags", "Abends", "Nachts" (unten
rechts) stellt eine Serie von "Selbstportraits" dar –
vordergründig auch hier die Prinzipien von Reihung, Ordnung,
Farbe. Dennoch: Es verbirgt sich ein Mehr in diesen
Selbstportraits. Der Künstler Fabian Gatermann will das
"verbindende Element zwischen uns Menschen
herausarbeiten", "Bewertungen auflösen und Menschen in
unterschiedliche Farben übersetzen". Ich zitiere weiter:
In dem künstlerischen Prozess für das Atriumhaus
wurden verschiedene 'Testpersonen' durch Körperflüssigkeiten auf
Teststreifen in Farben und Energien kodiert und arrangiert. So
variieren die Farben der Teststreifen je nach Person immer ein
bisschen. ... Und die Farbe und Energie tritt an die Stelle einer
Bewertung. Somit möchte ich das verbindende Element zwischen uns
Menschen herausarbeiten. In welcher Position wir uns innerhalb der
Gesellschaft befinden, ist eine Summe aus komplexen
Voraussetzungen plus daraus resultierender Möglichkeiten und
Anstrengungen.
Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen fürs Zuhören und wünsche Ihnen viel Freude bei der Begegnung mit dem Künstler und seinen Werken.
Doch zuerst dürfen wir uns auf Anna Galow und Juris Teichmanis freuen, die uns ein Werk von Heitor Villa-Lobos "mitgebracht" haben. Herzlichen Dank, liebe Frau Galow, für Ihre treue Verbundenheit mit unserer Stiftung und auch dafür, dass Sie stets nur beste Kollegen mitbringen und in den Freundeskreis unserer Stiftung einladen! Danke auch Ihnen, lieber Herr Teichmanis.