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STIFTUNG FÜR KONKRETE KUNST ROLAND PHLEPS
FREIBURG-ZÄHRINGEN, POCHGASSE 73
 
 

 

Ansprache von Roland Phleps zur Eröffnung der Ausstellung von

Peter Albert
"Erlebnis Farbe"

am 22. Mai 2011 in der Skulpturenhalle der
Stiftung für Konkrete Kunst Roland Phleps in Freiburg

 

Sehr geehrter, lieber Peter Albert,

ich begrüße Sie zusammen mit Ihrer verehrten Frau und Ihrer Tochter zur Eröffnung dieser Ausstellung einer Auswahl Ihrer Werke in der Halle unserer Stiftung und heiße Sie ebenso wie unsere Besucher herzlich willkommen!

Wir haben uns im vorigen Jahr nach vorausgegangenem Briefwechsel anlässlich Ihrer Reise ins Elsass hier in Freiburg kennen gelernt. Ich hatte Abbildungen Ihrer Werke in dem 2009 erschienenen schönen Bildband gesehen und Sie haben einer Ausstellung in unserer Halle gern zugestimmt. Bei meinem Besuch in Dresden vor drei Wochen in Ihrem Atelier haben wir die Exponate ausgewählt, die wir jetzt einem aufgeschlossenen und kunstverständigen Publikum präsentieren. Der Dialog mit den Werken kann im Dialog mit dem Künstler fortgesetzt werden, der allerdings geschrieben hat: "Der Schaffende spricht nur durch sein Werk."

Bevor ich als Gastgeber etwas zu den Bildern von Peter Albert sage, sollen biografische Daten genannt werden, auch wenn, lieber Peter Albert, Sie das langweilen kann.

Peter Albert ist 1936 in Dresden zur Welt gekommen. Er hat als Neunjähriger die schreckliche Zerstörung Dresdens und der elterlichen Wohnung erlebt. Schon als Schüler hat er mehrere Jahre privaten Mal- und Zeichenunterricht genommen, er hat 1950 das Abitur gemacht, ab 1954 an der TH Dresden Architektur studiert und das Studium mit dem Ingenieurdiplom abgeschlossen. Er war 1961 bis 1965 Assistent am Lehrstuhl Malerei und Grafik der Fakultät Architektur.

Für seine künstlerische Entwicklung waren Reisen in der Studentenzeit nach Italien sehr wichtig. Er malte, erst realistisch-expressionistisch, dann ab 1962 konstruktiv-konkret, wobei sich eine vielfältige Weiterentwicklung seines bildnerischen Ausdrucks vollzog. Sein beruflicher Einsatz galt architektonischen Aufgaben; er war von 1965 bis 1995 als Architekt am Institut für Kulturbauten Berlin/Dresden mit der Planung von Theatern, Kulturhäusern, Museen und Bibliotheken befasst, er arbeitete am Entwurf des Wiederaufbaus der Semper-Oper in Dresden und des Wiederaufbaus des Dresdner Schlosses. Er nahm erfolgreich an internationalen Architekturwettbewerben teil und war an Entwurfsplanung und Projektierung des Syrischen Nationaltheaters in Damaskus beteiligt.

Als bildender Künstler hat Peter Albert konstruktive Wandgestaltungen an Gebäuden der Technischen Universität Dresden entworfen und ausgeführt, was vom SED-Regime, das in der Kunst dem "Sozialistischen Realismus" huldigte, eben noch als Kunst toleriert wurde. Er hat seine Malerei in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt. Er konnte 1985 nach Paris reisen und nach 1990 immer wieder nach Italien, in europäische Länder und nach China. Neben seiner Arbeit als Maler ist er weiter als freier Architekt in Dresden tätig.

Wenden wir uns jetzt nach diesem biografischen Abriss den hier gezeigten Bildern zu. Die Auswahl beschränkt sich auf Werke aus den letzten sieben Jahren und verzichtet auf eine Rückschau über die jahrzehntelange künstlerische Entwicklung von Peter Albert, die zur jetzigen Phase einer weitgehenden Emanzipation der Farbe geführt hat.

Was ist damit gemeint? Farbe hatte in der Kunst bis vor hundert Jahren über die Zeiten hinweg eine dienende Funktion. Sie war ein Teil der imitativen oder abstrahierenden Darstellung der sichtbaren Welt, der "Natur", der "Realität". Von diesem Dienst hat sich die Farbe befreit, emanzipiert. Sie ist nur noch sie selbst und erscheint auf Flächen, die nichts "Gegenständliches" darstellen und nichts bedeuten.

Sie ist damit vergleichbar der Musik, die ohne verbale Sprache auskommt, aber zu uns spricht, etwas in uns bewegt und etwas vermittelt, was der Künstler als Empfindung hat und ausdrückt.

Diese in der Kunstentwicklung der letzten hundert Jahre errungene Freiheit wird von unzähligen die Farbe handhabenden Künstlern vielfältig genutzt und individuell variiert, wobei es für die Künstler immer schwieriger wird, ein eigenes Profil zu zeigen. Ähnlichkeiten sind häufig. Und doch sind die durch die gemalten und komponierten Farben ausgedrückten und evozierten Emotionen individuell verschieden, von Maler zu Maler und von Betrachter zu Betrachter.

Das mag kompliziert klingen, ist aber einfach, wenn wir den Titel dieser hier gezeigten Ausstellung bewusst beachten: "ERLEBNIS FARBE". Peter Albert spricht damit den Wesenskern dessen an, was die ungegenständliche Malerei ausmacht: die vom Künstler ausgedrückte und vom Betrachter empfundene Emotion.

Erlauben Sei mir, meine Damen und Herren, wenn wir nach dem Wesen der Farbe fragen, einen wie ich meine wichtigen Abstecher in die Biologie und Entwicklungsgeschichte. (Ich bin als Arzt auch durch naturwissenschaftliches Denken geprägt.) Fragen wir uns: Seit wann gibt es Farbe? Sie könnten antworten: Ganz einfach, seit jeher, nämlich seit die Sonne unter anderen Wellenlängen die des sichtbaren Lichtes aussendet, das spektral in Farben zerlegt werden kann. Diese Antwort ist falsch, denn das Wort "sichtbar" setzt ein farbwahrnehmendes Sehorgan voraus. Dieses Organ, nämlich das Auge, leistet mehr als seine Vorstufen, die nur der Wahrnehmung von Helligkeitswerten dienten. Es tritt entwicklungsgeschichtlich erstmals bei Insekten auf, die Futterplätze, farbige Blüten, erkennen. Und jetzt kommt das Entscheidende: Das empfangene Signal Farbe führt im zentralen Nervensystem zu einem Alarm, einer emotionalen Erregung, und über die Emotion zu einer zweckgerichteten Reaktion.

Was wir Farbe nennen, waren nur unerkannte Wellenlängen des Lichts ohne Bedeutung und Auswirkung, ehe die Evolution zur Farbigkeit der Lebewesen (Pflanzen und Tieren) und zu den Organen der Farbwahrnehmung und Signalverarbeitung führte.

Was seit Jahrmillionen gilt, trifft auch für den spätgeborenen Menschen und für die Gegenwart zu: Farbe ist ein Erlebnis, das von Emotion getragen ist. Keine Definition von Farbe kann ohne diesen fundamentalen Aspekt auskommen.

Das Erlebnis Farbe kann sogar unabhängig vom aktuellen Empfang von Lichtwellen und ganz im Erfahrungsschatz gespeichert sein. Ich zitiere ein Gedicht des Spaniers García Lorca, einen canto hondo:

Eres el cuchillo en mi herida.
Tan rojo mi canto, tan rojo!
Du bist das Messer in meiner Wunde.
Wie rot mein Gesang, wie rot!

Meine Damen und Herren, wir haben uns allgemein mit dem Wesen der Farbe befasst, dabei aber nur scheinbar Peter Albert aus dem Blickfeld verloren. Tatsächlich ging es bei meinen Überlegungen um den Zugang zu seiner Malerei. Sie werden, wenn Sie vor einem seiner Bilder stehen, vielleicht gleich emotional reagieren, angezogen sein oder sich nicht angesprochen fühlen. Sie sollten sich die Zeit nehmen, der Struktur, dem Aufbau des Bildes aus Farbflächen nachzugehen, den Farbauftrag und die Pinselführung zu beachten. Am wichtigsten ist aber die Komposition der gewählten Farben, sind Harmonien und Kontraste, Abgrenzungen und Übergänge, sind nacherlebbare Stimmungen.

Es ist wie mit Musik, von der Sie sich emotional tragen lassen können und die außerdem mit ihren kompositorischen Besonderheiten Ihr Interesse wecken kann. Vielleicht erkennen Sie den Architekten im Aufbau der Bilder und der Ausgewogenheit der Strukturen. Sie sind in Ihrem Verhalten frei, denn Sie werden zu keiner Reaktion genötigt oder überredet. Sie hören Kammermusik und keine Posaunen zum Davonlaufen.

Am Ende meiner Ausführungen komme ich zu dem an den Anfang gestellten Satz von Peter Albert zurück: "Der Schaffende spricht nur durch sein Werk", einem Satz ganz im Sinne von Goethe: "Bilde Künstler, rede nicht!" Als "Laudator" habe ich das Gebot der Kürze und der Verständlichkeit zu beachten versucht in Achtung der Eigenständigkeit der gezeigten Werke, die keiner verbalen Hilfe bedürfen.

Sie haben mir, meine Damen und Herren, geduldig zugehört, dafür danke ich Ihnen. Und Ihnen, lieber Peter Albert, wünsche ich den Erfolg diese Ausstellung!