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STIFTUNG FÜR KONKRETE KUNST ROLAND PHLEPS
FREIBURG-ZÄHRINGEN, POCHGASSE 73
 
 

 

Ansprache von Roland Phleps zur Eröffnung der Ausstellung von

Benedikt Werner Traut
"Poesie der Linien und Farben"

am 13. Mai 2012 in der Skulpturenhalle der
Stiftung für Konkrete Kunst Roland Phleps in Freiburg

 

Lieber Benedikt Traut, sehr geehrte Frau Kawohl,
liebe Freunde unserer Stiftung, meine Damen und Herren,

es ist mir eine Freude, Sie zur Eröffnung dieser Ausstellung mit einer Auswahl von Malerei und Zeichnungen unseres geladenen Gastes B. Traut herzlich zu begrüßen.

Als Gastgeber habe ich die Aufgabe, den Künstler kurz vorzustellen: seine Biografie, als Mensch und Künstler, und einige Gedanken zu seiner Kunst zu formulieren, im Bewusstsein, dass jedes Kunstwerk für sich selbst sprechen soll. Sofern Fragen in der Begegnung mit den Werken von B. Traut auftauchen, wird sie der Künstler gern im Gespräch zu beantworten suchen.

B. Traut ist 1934 in Köln zur Welt gekommen. Als Sohn eines Architekten hat er sich schon in der Gymnasialzeit für Architektur interessiert und im Atelier des Vaters mitgearbeitet. Mit 23 Jahren ist er 1957 in die Christusbruderschaft Selbitz in Oberfranken, einen evangelischen Orden, eingetreten. Als Ordensmann hat er 1962 bis 1967 an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Nürnberg studiert und eine erstaunlich vielseitige künstlerische Aktivität entfaltet. Diese umfasst freie bildnerische Gestaltung, meditative Bilder und öffentliche Aufträge im Bereich von Architektur, Plastik, Bildsteinen, Glasfenstern, Wandbildern, Gobelins, Grafik-Design, Buchgestaltung, Plakaten, angewandter und experimenteller Typografie und Fotografik.

In unserer Ausstellung müssen wir uns auf Malerei und Zeichnungen beschränken, doch zeigen wir auch Abbildungen einer großen Arbeit aus hängenden farbigen Glaselementen.

Viele Werke von B. Traut sind im öffentlichen und privaten Besitz. Seit 1971 hat er eine Vielzahl von Einzelausstellungen in Deutschland gehabt und war an Gruppenausstellungen im In- und Ausland beteiligt. Ich verweise auf die Auflistung im Eingangsbereich der Halle.

Von allen hier in den zurückliegenden zwölf Jahren von unserer Stiftung mit ihren Werken präsentierten Künstlern ist B. Traut der am nächsten wohnende: Er lebt, verbunden mit seinem Orden, seit 1994 als externer Ordensmann und freischaffender Künstler in Gundelfingen, also in der Nachbarschaft. Er hat unsere Ausstellungen regelmäßig und mit Interesse besucht und mir erst vor zwei oder drei Jahren eine Mappe mit großformatigen Reproduktionen einer Auswahl seiner Bilder geschenkt. Diese haben mich als Kunstwerke unmittelbar angesprochen, doch schienen sie mir als Träger religiöser Glaubensinhalte, also einer Botschaft, für eine Ausstellung im Rahmen unseres Stiftungsprogramms als nicht geeignet. Ich formulierte das im Gespräch mit B. Traut in dem Satz: "Ich will keine Predigt!"

Zugleich wollte ich aber bei einer Ausstellung nicht ausblenden, was für den Künstler und sein Werk von fundamentaler Bedeutung ist. Wir fanden eine Lösung für mein Problem erstens in der Feststellung: Entscheidend ist für eine Kunstausstellung die Aussage des sichtbaren Werkes selbst und seine Resonanz beim Betrachter, der die Freiheit zur individuellen Interpretation hat. - Außerdem kann der daran interessierte Besucher der Ausstellung aber einen im Eingangsbereich der Halle an der Wand befestigten gedruckten Text nachlesen, der eine Auswahl aus den "Schöpferischen Konfessionen" von B. Traut enthält. Auch liegen zwei Hefte mit Abbildungen und Texten zum Kauf aus, ferner zwei Gedichtbände.

Als Titel seiner Ausstellung hat der Künstler gewählt: "Poesie der Linien und Farben". Ich weiß nicht, ob Sie, meine Damen und Herren, die Doppelbedeutung von "Poesie" bemerkt haben, die auf die gezeigten Werke genau zutrifft. Das griechische Wort "poiêin" bedeutet schlicht "machen", also bewusstes, planvolles, zielstrebiges Tun. "Poiesis" ist aber auch speziell das schöpferische Tun, namentlich das Gedicht, dem Phantasie und Musikalität nahe sind, und zu dieser Bedeutung hat sich in unserem Sprachgebrauch das "Poetische" reduziert. Der rational-nüchterne Unterbau der Wortbedeutung bleibt aber und wehrt dem Ungefähren.

Sehen wir uns die Linien der ausgestellten Zeichnungen an, ausgeführt mit Bleistift oder Tusche! Ihre Leichtigkeit hat etwas Tänzerisch-Bewegtes, sie sind lebendig ohne die Prinzipien der Mathematik oder des Kalküls. Häufig erinnern sie an stark abstrahierte Landschaften, an Gebirgsstrukturen oder Felder aus der Vogelschau, an Felsformationen oder Abbrüche. Manche Zeichnungen haben einen Titel, andere nennen die Vorstellung, der der Künstler gefolgt ist. Die Sparsamkeit der Linienführung, die Sicherheit des Strichs, die Gliederung der Bildfläche weisen diese Zeichnungen als eigenständige Werke eines Könners aus.

Die Malerei von B. Traut trägt, wie sollte es anders sein, die gleiche "Handschrift", womit ich nicht die Technik meine, sondern die Gestaltungskraft, den kreativen Geist, worunter ich wiederum nicht die Taube, sondern die "begeisternde" Muse verstehe. Diese Muse bekennt sich zu Sparsamkeit und Zurückhaltung, Harmonie der Farben und Flächen, zu einer lebendigen, nicht starren Ordnung. Die klar begrenzten Farbflächen sind jeweils monochrom, ohne die malende Hand in der Binnenstruktur zu verleugnen. Obwohl Flächen und nicht räumliche Körper, wirken die farbigen Elemente des Bildes gebaut, zusammengefügt und verschränkt, manchmal gestaffelt und räumlich, als sei B. Traut immer noch dem väterlichen Architekten verpflichtet.

Es lohnt sich, die Titel der gezeigten Bilder und Zeichnungen im Verzeichnis aufzusuchen und so den konstruktiven Absichten des Künstlers, seinen Gedanken nachzugehen, in denen sich seine innere Bildwelt ausdrückt, etwa in der siebenteiligen Reihe "Teile eines Ganzen".

Ich habe die Muse und den Geist genannt, die sich im Werk von B. Traut offenbaren, nicht den Glauben, denn das wäre nicht meine Sache. Ich will aber zum Schluss aus dem Alten Testament einen Satz zitieren, der für alle Menschen, also auch für die Künstler unterschiedlicher Natur und Wurzeln, Bekenntnisse und Zielsetzungen Geltung hat, ob sie "sub specie aeternitatis" oder "sub specie mortalitatis (sed non vanitatis)" leben, ob angesichts der Ewigkeit oder der Sterblichkeit, doch nicht der Vergeblichkeit - es ist der Hinweis auf die Freude, die sich im Werk von B. Traut äußert, die Freude an der Arbeit und am Gelingen. Im Buch des Predigers Salomo, des Kohlet, eines großen Skeptikers, steht im dritten Kapitel: "So sah ich denn, dass nichts Besseres ist, als dass der Mensch freudig sei in seiner Arbeit, denn das ist sein Teil."

Das war zum Schluss keine Predigt, es war ein Credo, das uns verbindet.