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STIFTUNG FÜR KONKRETE KUNST ROLAND PHLEPS
FREIBURG-ZÄHRINGEN, POCHGASSE 73
 
 

 

Ansprache von Roland Phleps zur Eröffnung der Ausstellung

René Dantes
Skulpturen und Bilder

am 18. März 2012 in der Skulpturenhalle der
Stiftung für Konkrete Kunst Roland Phleps in Freiburg

 

Lieber René Dantes, liebe Freunde unserer Stiftung, meine Damen und Herren,

im Namen unserer Stiftung begrüße ich Sie herzlich!

Wir freuen uns, dass diese Ausstellung, wie vor einem Jahr geplant, zustande gekommen ist; wir freuen uns, dass der Künstler anwesend ist und dass wir eine Auswahl seiner bildnerischen Arbeit hier präsentieren und mit René Dantes ins Gespräch treten können.

Es ist üblich, den Vernissage-Besuchern den Lebenslauf des Künstlers kurz vorzustellen, auch wenn die Vita in Schriftform nachzulesen ist. René Dantes ist 1962 in Pforzheim zur Welt gekommen. Er hat seine künstlerische Ausbildung in Österreich und Frankreich erfahren, nämlich 1982 bis 1987 in Wien an der Akademie der Bildenden Künste, er hat das Studium der Malerei mit dem Diplom als Magister Artium abgeschlossen. 1986 nahm er an der Sommerakademie in Salzburg im Fach Plastik teil und studierte Bildhauerei an der École des Beaux-Arts in Paris (1987-1990). Er hat eine Reihe von Einzelausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen in deutschen Städten, in Basel, Zürich, Antwerpen, Paris, New York und Peking gehabt und ist mehrfach mit Stipendien und Kunstpreisen ausgezeichnet worden.

Ich wende mich jetzt dem Werk von René Dantes zu, seinen Metallskulpturen, seiner Malerei, seinen Zeichnungen. - Warum habe ich diesen Künstler eingeladen, in der Halle unserer Stiftung auszustellen? Die Antwort ist die gleiche wie bei den meisten Künstlern, die in den dreizehn Jahren seit unserer ersten Ausstellung hier mit einer Auswahl ihrer Werke zu sehen waren: Weil mich ihre Arbeiten angesprochen haben, weil ich eine positive Resonanz in mir gespürt habe, weil mich als Betrachter etwas bewegt hat. Bewegen heißt im Lateinischen movere, hiervon leitet sich Emotion ab, die Bewegung im Gemüt, also etwas durchaus Subjektives. Wer selbstsicher ist, braucht das Bekenntnis zur Subjektivität nicht zu scheuen. Mit diesem Kriterium ist für mich aber, um es gleich zu sagen, der rationale, mental-kritische Zugang zum Kunstwerk nicht verschlossen, jedoch nachrangig.

Was mich am Kunstwerk als Gestalt beeindruckt, mich bewegt und freut, liegt auf der Ebene des Ästhetischen, des Gefühls, des Sinnlich-Wahrgenommenen. Noch ein Rückgriff auf das Lateinische: Gestalt heißt forma, und davon leitet sich formosus gleich schön ab. Forma ist also die Wohlgestalt, und dieses Wort impliziert im emotionalen Bereich Freude und Beglückung und im rationalen Bereich Proportion, Harmonie und Ordnung. Wir können nach Gesetzen der Wohlgestalt, der Schönheit suchen und werden sie nicht in Zahlen fassen und begreifen können.

"Was Schönheit sey, das weisz ich nit" hat Dürer gesagt. - Ich halte die Bemühung um das Thema "Was ist Schönheit?", oft diskursiv geführt, gerade angesichts des Werkes von René Dantes für fundamental wichtig. Deshalb erlaube ich mir eine scheinbare Abschweifung ins Anekdotische. - In meinem fünften Bildband mit Stahlskulpturen findet sich ein kleiner Bericht, den ich vorlese:

Auf seinem Sonntagsspaziergang kam ein Elternpaar mit seinen zwei Kindern an der Ausstellungshalle vorbei und trat ein. Nach der Begrüßung bat ich die Eltern, ohne meine Führung durch die Ausstellung zu gehen und mir die Kinder zu überlassen, das zehnjährige Mädchen und seinen siebenjährigen Bruder. Es war eine Stahlskulpturen-Ausstellung mit Würfel- und Kugelvarianten des Stuttgarter Künstlers Hans Dieter Bohnet zu sehen. Die Beiden waren aufgeschlossen, interessiert und gesprächsbereit; wir suchten Antworten auf konstruktive Fragen, fanden die Unterschiede zwischen den Varianten, erkannten einen Würfel, auch wenn er zerschnitten oder unvollständig war und hatten Freude am Spiel.

Nach etwa zehn Minuten fragte ich zum Schluss: "Was meint ihr, warum der Künstler das gemacht hat?" Das Mädchen antwortete prompt: "Weil er es verkaufen möchte!" Der Siebenjährige zögerte, dachte nach und sagte schließlich: "Weil es schön ist."

Diese Antwort, vollkommen naiv, schutzlos und zugleich unangreifbar wahr, traf mich wie einen Gong. - Ach, wir Neunmalklugen alle, Künstler und Kunstkritiker, Gebildete und Kenner, die über Kunst und Schönheit reden, reden, sie in Frage stellen, besser wissen, oft vor einem imaginären Spiegel stehend und mit dem Rücken zum Kunstwerk - ich sehe uns klein werden vor der Gewissheit eines Kindes.

Sie könnten den Eindruck gewinnen, meine Damen und Herren, es sei schon mit dem Hinweis auf Wohlgestalt und Ästhetik das künstlerische Werk von René Dantes zu erfassen. Es ist damit nicht getan. Wir sollten der Frage nachgehen, woher die Gestalten kommen, die uns der Künstler vorstellt. Wir erkennen, dass sein Formenrepertoire einen starken Bezug zu Formen der Natur hat, sei es im Bezug auf den menschlichen Körper, auf den Leib, auf den menschlichen Kopf, sei es der Bezug auf Pflanzliches, Wachsendes. Die Abstraktion, die Reduktion auf das, was der Künstler als wesentlich empfindet, geht an die Grenzen des in der Verfremdung noch Erkennbaren.

Was hat das mit Konkreter Kunst zu tun, der sich unsere Stiftung widmet? Wie Sie wissen, geht diese Richtung bildender Kunst nicht, wie alle bildende Kunst davor, von der Natur aus, die sie abbilden, abstrahieren, verfremden mag, sondern von geometrischen Grundformen als Bau- und Spielmaterial. Hier liegt der Schwerpunkt unserer Präsentation von eingeladenen Künstlern und deren Werken. Das schließt aber nicht rigoros oder dogmatisch künstlerische Intentionen aus, die einen Bezug zur Natur und zum Gegenständlichen haben, sofern die Befreiung vom Imitationszwang zur Freiheit der künstlerischen Gestaltung von etwas Neuem und zu überzeugenden, eigenständigen Werken führt. René Dantes ist kein "konkreter" Künstler, er hat seine Sprache gefunden, deren Aussage wir verstehen und verstehen lernen können.

Sehen wir uns an, wohin der gestaltende Prozess den Künstler etwa bei seinen Tool-Heads geführt hat. Ausgangspunkt ist ein Werkzeug wie ein Beil oder die Schneide einer Axt. Ihre Profilansicht führt zur Assoziation mit einem menschlichen Kopf im Profil. Dieser imaginierte Kopf ist reduziert auf flache Kreisbögen, die im klar gezeichneten Winkel aufeinander treffen, als Begrenzung leicht gewölbter Flächen. Was resultiert ist Ausdruck, der vom Betrachter emotional erfasst wird: Ernst, Strenge, Ruhe, Würde. Der fassbare Träger dieses Ausdrucks ist reduziert zum Zeichen.

Als weiteres Beispiel nehmen wir die Skulpturen-Reihe Cascades: Die Staffelung ähnlicher, aber nicht identischer Raumelemente impliziert einen Rhythmus, eine Bewegung, genauer: zwei mögliche Bewegungen: Die Kaskade ist abwärts gerichtet, als Fall, als gestufter Wasserfall; es kann sich aber auch der Eindruck des Wachsenden, nach oben Strebenden, des Pflanzlichen aufdrängen. Zugleich ist die Nähe zur Mathematik und zur Geometrie spürbar.

Noch ein Beispiel: Die Reihe Calla, nach der bekannten weißen Blüte benannt, die sich trichterförmig öffnet. René Dantes bildet diese Blüte nicht nach, er nimmt aber den schönen Schwung des Motivs in seine geschwungenen Stahlflächen auf und variiert sie mehrfach.

Die Zeichnungen und Malereien, äußerst sparsam in der Farbgebung, lassen den engen Bezug auf die plastischen Arbeiten erkennen, zugleich erscheinen sie als Zeichen, Schriftzeichen eines fremden Alphabets von großer Ruhe und Klarheit. Ihre Bewegtheit in der Ruhe lässt sich am Schwung des Pinsels in der malend-zeichnenden Hand ablesen und nachvollziehen. - Der Verzicht auf die räumliche Dimension führt noch zu einer Steigerung der Verdichtung der gestalteten Ideen zum Zeichen. Wer ein Gespür für Monumentalität hat, findet sie hier, unabhängig von den metrischen Abmessungen des Werkes.

Wollte ich abschließend das vorgestellte Werk von René Dantes charakterisieren, genügten hierfür wenige Worte: Seine Sprache ist stark, ohne laut zu sein.

Wir sind bereit, sie zu hören.