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STIFTUNG FÜR KONKRETE KUNST ROLAND PHLEPS
FREIBURG-ZÄHRINGEN, POCHGASSE 73
 
 

 

Aus: Badische Zeitung vom 29.09.2010

Von Stefan Tolksdorf

 

Getürmte Virtuosität

Dieter Oehm in der Freiburger Stiftung für Konkrete Kunst

 
Dieter Oehm: Skulptur "3 aus Einem"

"3 aus Einem"
Dieter Oehm 2010
 

Ein grundlegendes Buch über den Leerraum in der Kunst steht noch aus. Die griechischen Tempel und die Finesse der Aussparung in den Stillleben Giorgio Morandinis stünden darin gewiss an vorderster Stelle. Mitunter läse man auch etwas zum skulpturalen Werk des Bildhauers und Zeichners Dieter Oehm, das jetzt die Stiftung für Konkrete Kunst in Freiburg ausstellt: Grazile, sich in die Höhe staffelnde Kubengeschöpfe, statische Unmöglichkeiten, wären sie tatsächlich, wie es der Anschein vorgibt, aus Einzelteilen gebaut. Doch die der Schwerkraft höhnenden Gebilde sind aus einem einzigen Stamm gehauen, gesägt und geschnitten; auch wenn er seine Holzfiguren in Bronze überträgt, machen ihre naturnahe Faktur und ihre beinahe tänzerische Leichtigkeit eine klare Zuordnung zur konkret-konstruktiven Kunst problematisch.

 

"Zeitunterbrecher" nennt der Künstler seine Arbeiten, aber ist dies nicht jedes Objekt, das uns tiefere Betrachtung abverlangt? In diesem Fall drängt sich der Eindruck auf, als stünde der aufrecht stehende Mensch, wie einst für den Erbauer des Eiffelturms, für die abstrakten Figuren Pate. Freilich leidet ihre Ausdruckskraft bisweilen unter einem Zuviel an Formwillen und Gestik, einer gewissen Unentschiedenheit im Aufbau. Handwerkliche Virtuosität wird vorgeführt und eben die Rolle jener viel umspielten, umgriffenen Leerstelle, jener Lücke im Material, die für Oehms Werk so konstitutiv ist. Als umkreisten bauklötzchenhaft getürmte Volumina das innere Zentrum einer Figur, das selbst gerade nicht mittels Masse definiert wird. "Fenster" öffnen sich, Platten werden in die Durchbrüche geschoben, Teile widerstreben scheinbar dem Gesamtgefüge. Durch farbliche Fassungen wird der Charakter der himmelgreifenden Skulpturen zusätzlich akzentuiert, doch im Erdgeschoss überzeugt uns nur eine - durch schwarze Substanzialität und eine gewisse Archaik. Ein Frühwerk. Auf der umlaufenden Galerie wird der Balanceakt zwischen scheinbar wackligen Kuben und kühn verzogenen Volumina dann en miniature und in Bronze weiter durchgespielt - filigran, zuweilen etwas selbstverliebt. Wenige Figuren besitzen den gesuchten konzentrierten Ausdruck, darunter ein so genannter Kopf, der sich allerdings ausnimmt wie ein Déjà-vu-Erlebnis - aus den Zwanziger Jahren.

- Stiftung für Konkrete Kunst Roland Phleps, Pochgasse 73, Freiburg-Zähringen. Bis 31. Oktober 2010, Sonntags 11.30 bis 13.30 Uhr.