Klar bis auf den Grund
"Die Poesie der Geometrie": Gemälde, Plastiken und Grafik von Gottfried Honegger in der Freiburger Stiftung für Konkrete Kunst
Gottfried Honeggger ist ein Bilddenker, ein Vertreter der
Konkreten Kunst. Doch als er einmal seine Lebensgeschichte
aufschrieb, kehrte der gebürtige Zürcher seine
Graubündner Wurzeln hervor: den Jungen in kurzen Hosen, der er
einmal war, den Sohn einer Engadiner Bauerntochter. Das
Sinnliche, sagt er, stehe ihm näher als "das
Gedankliche". Damit zieht er einen Trennstrich zur
historischen Gruppe der Zürcher Konkreten um Max Bill.
In einem Sommer
in Paris
Was in Roland Phleps' Freiburger Stiftung für Konkrete Kunst
jetzt aus dem Bestand der Liechtensteiner Hilti Art Foundation
zu sehen ist, lässt einen Farbgestalter wie auch den Vorsatz
erkennen, dem konstruktiven Regelmaß mit Entregelung zu
begegnen. Eine Serie schlanker, stelenartiger Plastiken und
teils großformatige Bildtafeln aus verschiedenen Jahrzehnten
stehen im Mittelpunkt. Die Bilder kehren die sinnliche Farbe
hervor. Die Fläche tendiert zum Relief - und gleich noch
in anderer Hinsicht zum Raumbild. Ungewöhnlich bei einem
konkret-konstruktiven Künstler ist die in durchscheinenden
Malschichten entwickelte, virtuell räumliche Wirkung, die mit
der plastischen korrespondiert.
Geometrische Formen scheinen gar auch einmal in dem luziden
Farbraum zu versinken, respektive aus ihm aufzutauchen. Und
auch wo er dann ein Raster rechteckiger Pappstücke der Leinwand
appliziert, entwickelt der Kolorist Honegger dem plastischen
Bildwert entgegen eine solche schimmernde
Flächenräumlichkeit. Der systematischen Flächenteilung
antwortet die lasierend aufgetragene Farbe als sozusagen
einendes Element. Und ins System der Teilung integriert der
Maler programmatisch die Störung: den Zufall als
vitalisierendes - und allerdings in seiner Vorsätzlichkeit
auch artifiziell wirkendes Mittel.Wie etwas gedacht und gemacht
ist, liegt bei Honegger immer im hellen Licht. Selbst wo er das
Regelmaß bricht, selbst in der Unberechenbarkeit bleibt er
durchsichtig.
|
|
Die Form versinkt im Farbraum: Gemälde von 1962/63
Gottfried Honegger
Ein druckgrafisches Blatt oben auf dem Umgang in der Halle
zeigt eine Fläche in Hellgrau, aus der ein kreisbogenförmiges
Element herausgeschnitten und -geschoben ist. Aus der
Einheit wird so ein Beziehungsspiel. Im Moment ihrer Bildung
reflektiert sich die Form selbst. Bildideen stellt Honegger dar
und macht sie nachvollziehbar. Dies trifft auch für die Stelen
zu. Schnitte trennen die Fläche auf (wie bei der Malerei ist sie
die feste Basis der Bildgedanken), danach wird das
Aluminiumblech gefaltet oder zylindrisch gebogen. Aus der
Fläche entsteht eine komplex räumliche Figur, die aber noch
immer klar auf ihren Ursprung zurückzudenken ist. Geradezu
fordern die Stelen, dass man nachdenkt.
Und wie jeder wahre Konkrete Künstler sieht Gottfried Honegger
in den Demonstrationen des Klarsinns den "sozialen
Auftrag" der Kunst. Mit seiner Plastik zieht es ihn nach
draußen in den öffentlichen Raum. Hier in Roland Phleps' Halle
verlieren sich die Stelen im diffusen Oberlicht in ihrem Weiß
vor der weißen Wand fast ein wenig. Im größeren Format und vor
allem aufmunternd buntfarbig versammelten sich solche
"Pliagen" vor vier Jahren in einem Sommer in Paris im
Park beim Palais-Royal. Von Kunst und Leben, von "Ökologie
der Ästhetik" spricht der heute 93-Jährige. Vom Widerstand
gegen die "hässliche Reklameflut". "Um die
Wirklichkeit zu ertragen", sagt er, brauche er
"Schönheit".
Was er braucht, das zeigt er. Und dass er Schönheit als etwas
versteht, das zum Denken anregt.
- Stiftung für Konkrete Kunst Roland Phleps,
Pochgasse 73, Freiburg-Zähringen.
Bis 8. August 2010, Sonntags 11.30 bis
13.30 Uhr.
|