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STIFTUNG FÜR KONKRETE KUNST ROLAND PHLEPS
FREIBURG-ZÄHRINGEN, POCHGASSE 73
 
 

 

Ansprache von Roland Phleps am 1. Juni 2008
zur Vernissage der Ausstellung

Heike Endemann - Skulpturen aus Holz

in der Stiftung für Konkrete Kunst Roland Phleps in Freiburg

 

Liebe Frau Endemann, liebe Freunde unserer Stiftung, meine Damen und Herren!

Ich begrüße Sie herzlich zur Eröffnung dieser Skulpturenausstellung und freue mich über Ihr Kommen, das sowohl der Künstlerin als auch der Tätigkeit unserer Stiftung gilt. Besonders begrüße ich Sie, liebe Frau Endemann, als eine in Freiburg arbeitende Künstlerin, deren Skulpturen aus Holz in dieser Halle zu präsentieren uns eine Freude ist. Ich wünsche Ihnen aufgeschlossene Betrachter und eine lebhafte Resonanz!

Die Besucher von Vernissagen erwarten, etwas über Leben und Werdegang der Künstler zu erfahren und in ihr Werk eingeführt zu werden. Im Gespräch mit Frau Endemann habe ich versucht, über das Vordergründige hinaus etwas über Motivation und Intention, also über Ursprünge und Zielvorstellungen ihrer künstlerischen Arbeit zu erfahren.

Heike Endemann ist 1962 in Duisburg zur Welt gekommen und zur Schule gegangen. Sie erinnert sich, dass sie als Zwölfjährige figürlich in Ton gearbeitet und ihre Gestalten gebrannt hat. Nach dem Abitur hatte sie ein Sprachenstudium erwogen, sich aber entschlossen, ab 1982 an der Konstanzer Universität Biologie zu studieren. Dieses Studium mit Schwerpunkt Molekularbiologie hat sie 1986, also vierundzwanzigjährig, mit dem Diplom abgeschlossen. Im Jahr 1991 hat sie in ihrem Fachgebiet in Konstanz promoviert. Anschließend war sie drei Jahre lang in New York auf der Basis ihrer beruflichen Qualifikation in der Forschung tätig. In diese Zeit fiel ihre Begegnung mit Werken zeitgenössischer Skulptur und die wachsende Gewissheit, in diesem künstlerischen Bereich ihr eigentliches Arbeitsfeld finden zu können. (Das Wort "Berufung" ist in unserem Gespräch nicht gefallen.) Frau Endemann besuchte das Sculpture Center of New York City von 1993 bis 1995, sie arbeitete in einer Klasse für Modellieren in Ton, auch gestaltete sie Arbeiten aus geschweißten Metallprofilen, ehe sie sich ganz dem Holz als Werkstoff zuwandte.

1995 kam sie nach Deutschland zurück und besuchte 1995 bis 1998 Kurse in Holzbildhauerei und Steinbildhauerei in Duisburg. Seit 1998 lebt sie in Freiburg. Sie ist im Karger-Verlag für Medizin und Naturwissenschaften als Lektorin tätig.

In Freiburg hat Heike Endemann ihre eigene Werkstatt eingerichtet, um ihre bildnerischen Ideen in der Auseinandersetzung mit dem gewählten Werkstoff, dem Holz, zu gestalten, wobei aus anfänglichem Suchen erst allmählich der Anspruch und die Gewissheit wuchsen, ein Kunstwerk zu schaffen. Seit 2003 hat sie an mehreren Gemeinschaftsausstellungen in Deutschland, der Schweiz, Frankreich und Finnland teilgenommen und Einzelausstellungen ihrer Skulpturen in Finnland bestritten. Sie war Artist-in-Residence und Stipendiatin in Finnland und der Schweiz.

Wenden wir uns jetzt den Holzskulpturen selbst zu. Die Künstlerin geht immer vom unbearbeiteten Holzstamm aus, also von einem Abschnitt des gefällten Baumes, wobei sie Wert darauf legt, dass der Baum ohnehin hätte gefällt werden müssen und nicht ihr zuliebe "geopfert" wurde. Sie kennt sich mit den verschiedenen Holzarten aus und weiß, was das gewählte Holz erfordert und was es ermöglichen kann, wenn sie es mit der Kettensäge oder dem Stechbeitel angeht, um die konzipierte Gestalt aus dem gewachsenen Material herauszuholen, zu "befreien".

Machen wir uns bitte klar, was dieser Arbeitsvorgang bedeutet: Einerseits ist das Schneiden, das Eindringen des Werkzeugs ein äußerst aggressiver Akt, andererseits erfordert er höchste Behutsamkeit und ein Einfühlungsvermögen, das mit der Angst gepaart ist, "sich zu versägen". In diesem Ausdruck steckt etwas von der Identifizierung des Künstlers mit seinem entstehenden Werk: Geht mir mein Werkzeug, mein Schnitt daneben, habe ich gleichsam mich selbst verletzt.

Die aus dem Stamm herausgeholte Gestalt ist weder ein Abbild noch Träger einer Bedeutung, sie ist "reine" Gestalt mit Bezug zu geometrischen Grundformen. Sie steht im Raum oder liegt auf dem Boden, manche Gestalten schließen Raum ein, sie haben beleuchtete und in Schatten getauchte Oberflächen. Die handwerkliche Gestaltung der Oberflächen ist unterschiedlich, vom rohen Sägeschnitt bis zur geglätteten, verschliffenen, oft verkohlten Struktur, manchmal auch als Träger von Farbe, wobei wir weniger an die Farben des Malers als an die Textilfarben des Färbers denken sollten.

Meine Damen und Herren, ich bin Ihnen in meinen Ausführungen noch etwas schuldig geblieben, denn am Anfang hatte ich davon gesprochen, etwas über Motivation und Intention der Künstlerin sagen zu wollen.

Heike Endemann bekannte, dass sie in ihrer künstlerischen Arbeit Freiheit suche und finde. Da sollte man gleich weiter fragen: Freiheit wovon? und Freiheit wozu? Ich glaube, aus der Empathie des Künstlerkollegen heraus sagen zu können: Frei sein von Müssen, frei sein vom Zwang, eine vorgegebene Aufgabe zu erfüllen. Wichtiger ist aber die Antwort auf die Frage wozu: Zu Glück und Not des Suchens im kreativen Prozess, im Umgang mit dem Werkstoff als gleichsam lebendigem Partner, im Finden der Antwort auf Fragen, die sich auf dem Weg zum selbst gesteckten Ziel ergeben, und schließlich zum Erlebnis: Es ist geglückt.

Liebe Frau Endemann, unsere stärkste Triebfeder ist die Freude; sie geht Hand in Hand mit der Freiheit, von der Sie sprachen, und mit dem Glück der schöpferischen Arbeit. Diese Freude will sich mitteilen, sie will mit Anderen geteilt werden - und darum sind wir hier: Künstlerin und Publikum. Uns allen wünsche ich Freude beim Rundgang durch die Ausstellung! Dazu soll uns zuvor Frau Schober mit Laute und Gesang animieren.