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Ansprache von Dr. Antje Lechleiter
zur Eröffnung der Ausstellung von
CW Loth
Holzskulptur
am 17. September 2017 in der
Skulpturenhalle der
Stiftung für Konkrete Kunst Roland Phleps
in Freiburg
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit CW Loth ist in der Stiftung für Konkrete Kunst Roland Phleps
ein Bildhauer zu Gast, der - im strengen Sinne - nicht zu
den Konkret-Konstruktiven zählt. Die Präsentation seiner Arbeiten
in der Skulpturenhalle der Stiftung macht dennoch Sinn. Denn auch
wenn sich seine Holzskulpturen nicht aus geometrischen Grundformen
zusammensetzen, so verfügen sie doch über Klarheit und Einfachheit,
und sie entspringen einem zuvor genau festgelegten Plan. In
Übereinstimmung mit den Zielen der Konkret-Konstruktiven wollen sie
nichts erzählen, sondern sprechen durch ihre Präsenz und durch ihre
Reaktion auf den Raum, in dem sie sich befinden. So war es auch
unser Wunsch, uns hier unten in der Halle auf Arbeiten der drei
Primärfarben Rot, Blau und Gelb sowie auf das unbunte Weiß und
Schwarz zu beschränken.
Bei CW Loth hängt alles mit allem zusammen, alles fügt sich aus
einem Stück. Wenn der Bildhauer seine Holzstämme mit der Kettensäge
öffnet, dann zerteilt er sie nicht. Die einzelnen Partien bleiben
durch ein System von Achsen miteinander verbunden, sie können
bewegt, aber nie voneinander getrennt werden. Das Drehen und
Spreizen der einzelnen Abschnitte führt zu einem Wechsel von
offenen und geschlossenen Bereichen und macht das große räumliche
Potenzial erfahrbar, das einem Holzstamm innewohnt. Aus sich selbst
heraus vollführt der aufgeklappte Stamm eine raumumschreibende
Bewegung. Ganz im Unterschied zum klassischen Holzbildhauer geht es
CW Loth nicht um die Bearbeitung der Außenhaut, sondern um den
Raum, der vom Holzkern umschlossen wird. Diesen fördert er mit
einer zuvor exakt festgelegten Schnittfolge seiner Kettensäge zu
Tage. So nimmt der Künstler in einem subtraktiven Vorgang zwar Holz
vom Stamm weg, addiert aber wiederum durch die Öffnung des Stammes
die zuvor im Innenraum eingeschlossenen, raumgebenden Möglichkeiten
hinzu. Sehr gut wird dies bei der Arbeit Corpus Gelb aus Pappelholz
sichtbar: Loth öffnet einen Abschnitt des Stammes und lässt den
Betrachter mit seinen Augen buchstäblich zum "Kern der
Dinge" vordringen.
In der Stiftung für Konkrete Kunst Roland Phleps werden
überwiegend neue Arbeiten des Jahres 2017 gezeigt. Das große blaue
"Tor" ist die älteste Arbeit und datiert auf das Jahr
2011. Es wurde aus einer der ursprünglich fünf Meter lang Bänke
geschnitten, die anlässlich des Papstbesuchs in Freiburg als
Sitzgelegenheit für die Teilnehmer der Heiligen Messe aufgestellt
waren. Loth hat im Zuge seiner Bearbeitung den Gedanken eines
Hauses im Tor aufgegriffen. Der Moment des Verharrens in einer
Übergangssituation mag darin angelegt sein.
Die neuen Werke des Künstlers verfügen über eine große
Feingliedrigkeit, ihre Oberfläche ist glatter als noch 2013, und
sie tragen eine gewaltige Bewegungsenergie in sich. Oben auf der
Empore zeigt die Arbeit "Schichtung I" aus
Nussbaumholz diese Dynamik besonders deutlich. Hier wurden Ringe
über eine vertikale Achse geschichtet, die wiederum einen Quader
durchläuft. Im wahrsten Sinne des Wortes hat Loth hier das Runde in
das Eckige gebracht und macht damit Raum und Bewegung erfahrbar.
Hier, aber auch in der kleinen, unbetitelten Arbeit aus
Platanenholz (unsere Werknurmmer 6 oben auf der Empore) wird
das für ihn zentrale Motiv der Achse direkt als skulpturales
Element aufgefasst und von seiner bisher üblichen Funktion als
Hilfsmittel emanzipiert. Diese Aushöhlung des Innenraumes
ermöglicht überdies einen überraschend breit angelegten Durchblick
oder - besser - Einblick in das Wesen der Skulptur.
Die Arbeit mit der schweren Kettensäge ist immer ein Wagnis,
doch Loth geht virtuos mit seinem Gerät um und scheut kein Risiko.
Wie bei der Arbeit "Blick I" von 2017 (letzte Arbeit
auf der Empore) entstehen inzwischen auch extrem dünne Wände, die
er in dieser fragilen Form früher nicht zu realisieren gewagt
hätte. Wand, Gehäuse, Tor - das Thema "Gebäude"
beziehungsweise "Batiment" tritt in der letzten Zeit
verstärkt auf. Es passt gut zu Loths Liebe zur klaren Linie und hat
überdies dazu geführt, dass die Oberflächen seiner Skulpturen
glatter geworden sind. Der Innenraum bleibt hingegen nach wie vor
rau und zeigt die Schnittspuren der ins Holz eindringenden Säge.
Als Beispiel für diese Werkgruppe soll auf die Arbeit
"Batiment X" von 2016 (Nr. 11) aus weiß
gefärbtem Sequoiaholz verwiesen werden. Die Idee eines gedanklich
durchschreitbaren Gebäudes ist hier besonders klar
verwirklicht.
Blau, Rot, Gelb - ich habe es schon angesprochen, hier im
unteren Bereich der Halle dominiert die Farbe. Sie wird vom
Künstler aus reinen Pigmenten, vermischt mit einem Bindemittel
hergestellt. Schon Anfang der 1990er Jahre fing Loth damit an,
einige seiner Werke blau zu fassen. Die Entscheidung für die
Färbung einer Skulptur fällt ganz am Schluss, nach dem
Fertigstellen der bildhauerischen Arbeit. Erst wenn jene über ihre
endgültige, individuelle Form verfügt, sucht er nach einer Farbe,
die dieser Form entspricht. Hat der Künstler die Skulptur
beispielsweise als Zeichnung im Raum angelegt, erfolgt die Fassung
mit Dunkelblau. Der dunkle Farbton lässt die Zwischenräume des
Holzes fast schwarz wirken und ruft eine besonders starke,
grafische Wirkung hervor. Die Farbe Rot kommt bei weicheren Formen
zum Einsatz, hierfür ist das Motiv unserer Einladungskarte, die
Eichenholzskulptur "Rondo rot", von 2017 ein gutes
Beispiel. Die Genese dieser Arbeit ist klar nachvollziehbar: Die
äußere, zylindrische Form des Stammes bleibt partiell sichtbar, der
Stamm wurde allerdings halbiert, entkernt und in drei Abschnitte
aufgeteilt. Das vom oberen und unteren Bereich abgetrennte,
mittlere Segment ist frei beweglich und hängt an einer vertikalen
Achse, die durch zwei parallele Schnitte aus dem Stamm gelöst
wurde. Der Mittelteil ist so aus dem Halbrund herausgedreht, dass
er diagonal in den Raum führt. Damit bildet er nicht nur eine
dynamische Gegenform, sondern macht auch den Umraum sowie die -
zuvor verschlossenen - Zwischenräume wahrnehmbar. "Rondo"
versetzt den Betrachter in Bewegung, es ist erstaunlich, wie
unterschiedlich sich die einzelnen Ansichten dieser Skulptur
präsentieren.
Auf der Empore der Skulpturenhalle zeigt Loth, dass seine
Holzschnitte eng mit den Skulpturen zusammenhängen. Die bereits
angesprochene, mitunter "grafische" Wirkung seiner
Skulpturen führte den Künstler konsequenterweise dazu, das Motiv
"Öffnung und Raum" auch auf der Fläche zu erproben. Der
Schritt aus der dritten in die zweite Dimension scheint eine
Beschränkung der Möglichkeiten zu beinhalten. Doch Loth
visualisiert auf diese Weise Aspekte, die in einer Skulptur nicht
umsetzbar gewesen wären. Während seine ausgreifenden Skulpturen
"Raum" geradezu fühlbar machen, umschließt der Abdruck
ihrer Flächen und Linien auf dem weißen Papier die Unendlichkeit
des entfalteten Raumes. Wie die Durchbrüche im Holz besitzen die
freien Flächen der Papierarbeiten die gleiche Wertigkeit wie das
materiell Vorhandene. Raum wird mit Fläche und Fläche wird mit Raum
assoziiert.
Bei den dunklen Reliefs hat sich Loth einer besonderen Technik
zugewandt. Seit 2012 kommt nun auch das zum Einsatz, was bei der
Arbeit an den Holzskulpturen übrig bleibt: Sägespäne. Das Holzmehl
wurde in ein Gemisch aus Wasser und Eisenspäne gegeben und
oxidierte durch die Verbindung der Gerbsäure mit dem Metall. Nach
Zugabe eines Binders konnte die nun schwarze Sägespäne auf eine
harte Platte aufgebracht beziehungsweise "aufgeschoben"
werden. Loth betont das Bild hier als physisches, materielles
Objekt, das malerisch und plastisch geformt wurde. Diese
materialschweren Arbeiten werden sehr architektonisch aufgefasst
und können als Raumfelder begriffen werden. Sie erinnern an
Stadtansichten, gesehen aus der Vogelperspektive, die mit den Augen
"erwandert" werden können. Der Betrachter spaziert durch
Parks, kommt an Siedlungen und Häuserblocks vorbei. Auch hier
spielen die "Leerstellen" eine ganz zentrale Rolle. Die
Leerstelle wird von der Ästhetik auch als Unbestimmtheitsstelle im
Bild bezeichnet, sie übermittelt Aspekte wie Spannung und
Lebendigkeit. Diese Unbestimmtheitsstellen bilden aber auch
Scharniere, die Blicke auf bestimmte Beziehungen öffnen, sie öffnen
Räume der Interaktion zwischen Bild und Betrachter.
Sehr geehrte Damen und Herren, CW Loth geht es in seinen
Skulpturen, Reliefs und Holzschnitten um ein großes Thema: Die
Sichtbarmachung von Raum. Indem er seine Stämme aufklappt, wird
Raum erfahrbar gemacht, und mit seinen Reliefs und Druckgrafiken
beweist er, dass Raum auch auf oder sogar in der Fläche wohnen
kann.
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CW Loth: Holzskulptur
Öffnungszeiten
Wegbeschreibung
Ansprache bei der Vernissage
"Rondo rot"
Bilder der Ausstellung
Pressebericht:
Reizvolle Abweichungen
Badische Zeitung, 04.10.2017
Kurzbiografie CW Loth

zur Liste der Ausstellungen 2017

Homepage von CW Loth
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