|
Ansprache von Dr. Antje Lechleiter
zur Eröffnung der Ausstellung von
Anton Stankowski
Zwischen Konkretion und Illusion
Eigenformen und Gemälde
am 15. März 2015 in der
Skulpturenhalle der
Stiftung für Konkrete Kunst Roland Phleps
in Freiburg
Sehr geehrte Damen und Herren,
unter dem Titel "Zwischen Konkretion und Illusion"
zeigt die Stiftung für Konkrete Kunst Roland Phleps in
Zusammenarbeit mit der Stankowski-Stiftung Stuttgart für die
kommenden sieben Wochen Eigenformen und Gemälde von Anton
Stankowski. Ganz herzlich möchte ich mich bei Frau Roller und Frau
Röbel von der Stankowski-Stiftung bedanken, deren tatkräftige
Unterstützung das Zustandekommen dieser Ausstellung überhaupt erst
möglich gemacht hat.
Ich weiß nicht, ob es Ihnen bewusst ist, doch Sie alle kennen
zumindest eine Arbeit von Anton Stankowski. 1973 gestaltete der
Grafiker das Quadrat mit der Diagonalen, das der Deutschen Bank
seither als Signet dient. Seine Einfachheit gab der BILD-Zeitung
wieder einmal die Gelegenheit, den empörten Biedermann zu spielen
und sie titelte damals: "Maler verdient mit fünf Strichen
100.000 Mark". Stankowski konterte mit einem Klassiker:
"Dafür habe ich ja auch 40 Jahre geübt!"
Wir zeigen in dieser Ausstellung ausschließlich Gemälde und
Bildobjekte des Künstlers, doch - und daher habe ich Ihnen auch
diese kleine Anekdote geschildert - Anton Stankowski war nicht nur
Maler, sondern auch Grafikdesigner und Fotograf und für ihn gab es
keine Trennung zwischen dieser freien und der angewandter
Kunst. Sein Credo lautete: "Ob Kunst oder Design ist egal. Nur
gut muss es sein."
Vieles könnte man über den 1906 in Gelsenkirchen geborenen
Künstler, der bis kurz vor seinem Tod im Jahre 1998 in seinem Haus
auf dem Stuttgarter Killesberg lebte, erzählen. Daher freue ich
mich, dass nach meiner kurzen Einführung Prof. Dietmar
Guderian am Beispiel von zwei Werken des Künstlers über seine
persönlichen Begegnungen mit Stankowski sprechen wird.
Das früheste Bild der Ausstellung datiert auf 1958, es hängt oben
und trägt den Titel "SEL-Zeichen". Mit der realisierten
Formmarke, die Stankowski für die SEL Nachrichtentechnik entwickelt
hat, besteht in diesem Fall allerdings keine Ähnlichkeit. Mit dem
"Selbstportrait" von 1991 zeigen wir ein Gemälde, das im
kleinen Format und in der Ausführung mit Temperafarbe auf ein Werk
von 1934 zurück geht. Dies mag als Hinweis darauf genügen, dass
Stankowski bereits in seinem Frühwerk zwischen 1926 und 1939
Position für die konkret-konstruktive Kunst bezogen hat. 1950, nach
einer kriegsbedingt erzwungenen Pause von mehr als 10 Jahren,
setzt dann der zweite Werkabschnitt des Künstlers ein. In dieser
Zeit wird er die Diagonale nicht nur in seine funktionale Grafik
einbringen, sondern auch die Konkrete Kunst durch diagonale
Farbbänder und Balken bereichern und weiterentwickeln. Dazu ein
Zitat des Künstlers von 1989, in dem er rückblickend bemerkt:
"Ich hatte in den 50er Jahren den Eindruck, dass
das Quadrat in der konstruktiven Malerei etwas ausgebraucht
ist. Ich wollte versuchen, mit einem anderen Element die gleichen
Belange weiterzuführen (...) und auf diese Weise die
Ausdrucksmöglichkeiten erweitern, dynamisieren".
Die Schräge in allen möglichen Variationen und Verbundsystemen
dominiert nun auch in unserer Ausstellung. Dieses 7-teilige
Reihenbild von 1989 mit dem Titel "Zunehmende Bänder"
dokumentiert sehr eindrucksvoll, wie die quadratischen Bildfelder
durch das sukzessive Zugeben von Farben und Streifen eine rasante
Fahrt aufnehmen. Dass die Einführung der Diagonalen zu Beginn der
Konkreten Kunst zunächst äußerst umstritten war, ist vielen von uns
heute vielleicht gar nicht mehr bewusst. Als Kasmimir Malewitch das
schwarze Quadrat auf weißem Grund im Jahr 1915 zum ersten Mal
zeigte, empfand er diese extreme Form der Reduktion als ein
Äquivalent des Nichts, als die reine "Empfindung der
Gegenstandslosigkeit" und Piet Mondrians puristische
Beschränkung auf die sich im rechten Winkel scheidenden
Horizontalen und Vertikalen wurden vom Künstler als die höchste
Stufe der Manifestation des absoluten Geistes
verstanden. Leidenschaftlich stritt man innerhalb der
konkret-konstruktiven Kunst in den ersten Jahrzehnten des
20. Jahrhunderts und im Umkreis von Suprematismus,
Konstruktivismus, De Stijl und Bauhaus um einen verbindlichen
Formenkanon. Mit Leichtigkeit erhob sich dann Stankowski - als
Vertreter der folgenden Generation - über diese
Grundsatzdiskussionen.
Oben auf der Empore sehen Sie eine Reihe von kleinformatigen
Quadraten, die zum großen Teil in den 1980er und 1990er Jahren
entstanden sind. Viele von ihnen lassen einen Zusammenhang zu den
von Stankowski Schritt für Schritt durch farbige Veränderungen
entwickelten Marken- und Firmenzeichen ahnen. Betrachtet man die im
ausgelegten Katalog auf den Seiten 258/259 abgebildeten Signets
einer Mappe von 26 Marken aus dem Jahr 1974, so finden sich in der
Tat Entsprechungen. Dieses Changieren zwischen Kunst und Design,
reiner Malerei und Auftragsarbeit mit Informationscharakter muss
Stankowski eine riesige Freude bereitet haben. Schließlich war er
ein Farb- und Formenforscher und immer auf der Suche nach neuen
Möglichkeiten. Er liebte daher das serielle Arbeiten. Sehr gut
können Sie das oben auf der Empore beobachten, wo er mit mehreren
Arbeiten der Serie "Versetzter Ausschnitt" (Nr. 15,
36, 37, 38) verschiedene Form- und Farbvarianten
durchdekliniert.
Neben mehr als 30 Gemälden aus vier Jahrzehnten zeigt die
Ausstellung eine Serie von Bildobjekten, die Stankowski selbst als
"Eigenformen" bezeichnete. Die Beschäftigung mit dem
korrespondierenden Verhältnis von Farbe und Form war ein
grundlegendes und beherrschendes Thema seiner Kunst. Bei den
"Eigenformen", die ab 1987 entstehen, folgt die Form der
Farbe nun sogar in den Raum hinein, denn diese Kompositionen werden
nicht einfach auf, sondern eher vor die Wand gehängt. In den
bemalten und auf Sperrholzplatten aufgezogenen Leinwänden, die
durch eine schmale Holzkonstruktion auf der Rückseite von der
Wandfläche abgehoben werden, verbindet sich Stankowskis
Farbfeldmalerei mit seiner gebrauchsgrafischen Arbeit an
reliefartig aus der Fläche hervorgehobenen Piktogrammen und
Logos. Ich bin von diesen Eigenformen ganz besonders begeistert,
denn sie befreien sich nun vollkommen vom rechteckigen oder
quadratischen Malgrund. Die Ausdehnung und Anordnung ihrer
Farbfelder führt hier zu ungewöhnlichen Bildformaten. Die Farbe
wird auf diese Weise Teil der dritten Dimension, entwickelt sich
seitlich und parallel zur Wand in den Raum hinein. Eine geradezu
optische Täuschung beinhaltet diese erste Eigenform mit dem Titel
"Perspektive", von der man den Eindruck hat, als würde
sich ihre Spitze nach hinten biegen. Diese deutlich weniger
bekannten Arbeiten repräsentieren einen weiteren, eigenständigen
Beitrag des Künstlers innerhalb der Konkreten Kunst. Ich freue mich
besonders, dass wir immerhin 8 dieser insgesamt rund
30 Eigenformen hier in Freiburg zeigen können, denn sie waren
in der Vergangenheit nur selten öffentlich ausgestellt. Das gilt im
Übrigen auch für diese beiden, für Stankowski ungewöhnlich
großformatigen Arbeiten hinter mir.
Sehr geehrte Damen und Herren, enden möchte ich mit einem
Leitmotiv von Anton Stankowski, das sein Leben und seine Arbeit
bestimmte. Es lautet: "Finden, vereinfachen, versachlichen und
vermenschlichen - das Letzte ist das Schwerste".
Jörgen Welander wird uns nun ein Musikstück des schwedischen
Komponisten Erland von Koch vortragen und anschließend spricht Herr
Prof. Dietmar Guderian über seine persönlichen Begegnungen mit
Anton Stankowski.
|
|
|
Anton Stankowski: Zwischen Konkretion und Illusion
Öffnungszeiten
Wegbeschreibung
Ansprache bei der Vernissage
Acht Quadrate
Bilder der Ausstellung
Pressebericht:
Die geometrisierte Welt
Badische Zeitung, 25.03.2015
Kurzbiografie Anton Stankowski

zur Liste der Ausstellungen 2015
Pressematerial

Homepage der Stankowski Stiftung
|