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Ansprache von Dr. Claudia Rönn-Kollmann
zur Eröffnung der Ausstellung von
Gunter Frentzel
Stäbe im Raum
Schwerkraft - Rhythmus - Gleichgewicht
am 15. September 2013 in der
Skulpturenhalle der
Stiftung für Konkrete Kunst Roland Phleps
in Freiburg
Lieber Herr Frentzel, liebe Frau Frentzel, liebe Freunde unserer
Stiftung, heute ganz besonders Herrn Bürgermeister von Kirchbach,
meine Damen und Herren,
ich begrüße Sie herzlich zur Eröffnung dieser Ausstellung und
freue mich über Ihr Interesse an der künstlerischen Arbeit unseres
Gastes, den ich Ihnen vorstellen möchte. Sie haben sich in die
Raum-Installationen, die er geplant und hier in kurzer Zeit
realisiert hat, integriert und damit schon Wesentliches seiner
Kunst erfahren. Einige Angaben zu seiner Vita sind aber angebracht
wie auch eine Annäherung an das Œuvre von Gunter
Frentzel. Dabei beziehe ich gern Informationen ein, die in dem 2011
anlässlich der Ausstellung
"Gunter Frentzel"
im Kunstmuseum Solothurn erschienenen Buch publiziert sind
(erschienen im Verlag für moderne Kunst, Nürnberg) wie auch in dem
Begleittext zur Kassette, dem Ausstellungskatalog
"Stab auf Stab", 2010.
Ich bin zum ersten Mal auf ein Werk von Gunter Frentzel im Rahmen
einer Vernissage der Baukunst Galerie in Köln gestoßen. Es handelte
sich um eine Stele aus Chromstahl, die das Licht und auch mich im
Innenhof der Galerie an jenem hellen Sommerabend anzog. Beim
anschließenden Abendessen saß ein freundlicher Mann neben mir -
Gunter Frentzel, wie sich bald herausstellte, der an diesem Tag
ebenfalls Gast in der Galerie war - leise, unaufdringlich,
beobachtend, einfach sympathisch.
Im Jahr 2010 schickte mir Gunter Frentzel seine neueste
Publikation - die Kassette
"Stab auf Stab"
mit den feinen schwarz-weiß Aufnahmen seiner Stäbe. Ich gebe zu,
der Künstler gewann bei mir mit seinen Arbeiten weiter an
Attraktivität. Nun waren es die Installationen und Zeichnungen der
Eisenstäbe, die eine ungeahnte Anziehung bei mir bewirkten.
Unser Kontakt führte schließlich im vergangenen Jahr zur Planung
dieser Ausstellung.
Wenden wir uns nun der künstlerischen Entwicklung von Gunter
Frentzel zu.
1935 in Berlin geboren. 1952-1956 Kunstschule Wiesbaden; Diplom
als Bildhauer. 1957 Diplom als Steinmetz. 1960 Umzug in die
Schweiz, lebt seit 1962 in Rüttenen bei Solothurn. 1960-71
künstlerischer Leiter eines Steinbildhauer- und
Steinmetzunternehmens. Seit 1972 lebt und arbeitet Gunter Frentzel
als freischaffender Künstler in Rüttenen (Jurasüdfuß).
1980 erhielt er den Werkjahrespreis, 1988 den Fachpreis für
Skulptur und Installation, 1999 den Kunstpreis des Kantons
Solothurn.
Seit 1971 an hatte er eine große Anzahl von Einzelausstellungen und
Ausstellungsbeteiligungen, überwiegend in der Schweiz und
Deutschland.
Seine Auftragsarbeiten im öffentlichen Raum sind zahlreich wie
auch monographische Publikationen sowie Texte in Katalogen und
Zeitschriften.
Nach dieser Aufzählung der wichtigsten Wegmarken des Künstlers
gilt es, sich seinen Werken und deren Charakteristik
zuzuwenden. Wir begegnen in dieser Ausstellung dem Künstler Gunter
Frentzel im drei- und zweidimensionalen Raum.
Er betrachtet seine Skulpturen nicht als geschlossenes System,
sondern als Rauminstallationen. Den
architektonischen Raum - also hier unsere Ausstellungshalle,
die er als "Raumbijou" bezeichnet - bezieht Gunter
Frentzel als Gestaltungselement in seine Arbeiten mit ein. Er
erreicht dies unter anderem auch dadurch, dass er die Skulptur
direkt auf dem Boden platziert und auf den klassischen Sockel
verzichtet.
Frentzels Element sind Eisenstäbe - halbindustriell gefertigte
Vierkantstäbe. Das ist wahrlich minimalistisch. Ich zitiere:
Frentzel hat einen Typus der Skulptur entwickelt, der
als modular umschrieben werden kann und, noch extremer, als
nomadisch. Nichts ist fix. Und dennoch ist wie bei einer Jurte
alles stabil.
(Begleittext zur Kassette "Stab auf Stab").
Einziges Basiselement ist also der Vierkantstab. Im Legen,
Schichten, Stapeln Verschränken, Verkanten der identischen
Einzelteile - also der Vierkantstäbe - entwickelt sich
nach und nach die Gestalt der Skulptur. Bei den
an die Wand gelehnten Stäben
an der Stirnwand der Galerie ist das Prinzip besonders gut
erkennbar: Etwas nach vorne abgestellt die eine Reihe, noch weiter
nach vorne die zweite, die sich mit der ersten durch den Wechsel
von Stab zu Stab verschränkt. Und so weiter. Aus wenigen
Grundfiguren entsteht immer Neues.
Die Stabobjekte sind nie fixiert und in exakter,
rhythmisierter Weise angeordnet; sie halten und
stützen sich selbst. Die
spiralförmige Skulptur
unten in der Ausstellungshalle besteht aus 67 Stäben und ist
4 x 4 x 1 Meter groß. Sie könnte wie ein
Mikado zusammenstürzen. Doch der Künstler lotet genau den
extremsten Punkt aus, bei dem das eben nicht geschieht. Ein
Balanceakt - fragile Räume im Raum gehorchen den Gesetzen der
Schwerkraft.
Es ist die Labilität, die den Objekten ihre Leichtigkeit
verleiht. Doch ebenso wichtig wie die Materialität der Eisenstäbe
sind deren Zwischenräume. Dazu trägt entscheidend das Spiel mit
Licht und Schatten bei. Dem
Moiré-Effekt
(macht sich bei der Überlagerung von regelmäßigen feinen Rastern
durch zusätzliche scheinbare grobe Raster bemerkbar), der durch die
Überschneidungen der Stäbe entsteht, kommt dabei eine besondere
Bedeutung zu. Frentzels Objekte sind also stets auch ein Wechsel-
und Zusammenspiel von Materialität und Immaterialität.
"Filigran, dynamisch und komplex wirken Gunter Frentzels
geschichtete Skulpturen aus Vierkantstäben. Ein raffinierter Wirbel
der Lineaturen und Schraffuren, begleitet vom Wechselspiel aus
Licht und Schatten, zieht Auge und Geist sogartig an, lässt ihnen
keine Ruhe." (Ulrike Lorenz, 2011)
Seit einigen Jahren setzt Gunter Frentzel das Medium der
Zeichnung als parallele und weitere Ebene seiner
Reflexionen über Stabilität und Labilität, über Materialität und
Immaterialität ein.
Wir sehen in dieser Ausstellung (Galerie) auch
Zeichnungen -
nicht auf Papier, sondern auf Metallplatten. Als Zeichenmittel
wählte Gunter Frentzel den größten im Handel erhältlichen Filzstift
mit einer Strichbreite von 12 mm. Der satte, schwarze
Marker-Strich wurde für Gunter Frentzel zu einer adäquaten
zeichnerischen Umsetzung seiner Metallstäbe. Und so konnte er seine
Stäbe quasi in aller Leichtigkeit auf eine zweidimensionale Fläche
setzen. Hatte er bei seinen dreidimensionalen Werken gern das
Zeichnerische betont, so suchte er nun - mit derselben
künstlerischen Logik der Paradoxie - in seinen
zweidimensionalen Werken die Suggestion einer räumlichen
Illusion.
In Anlehnung an sein installatives Schaffen für den Innenraum,
wählte er für seine Zeichnungen ein klar begrenztes Spielfeld in
Form eines Quadrates von 30 cm Seitenlänge. Als Träger wählte
er schließlich Metallplatten, auf die er die zeichnerische
Suggestion geschichteter Metallstäbe zeichnete (nach Christoph
Vögele, 2011).
Mal zwei, dann vier, dann sechs Metallplatten - horizontal oder
auch vertikal, quadratisch oder rechteckig zusammengebracht -
wirken wie Labyrinthe, nicht als Irrgärten, sondern im
ursprünglichen Sinn als verschlungene, verzweigungsfreie Wege,
deren Linienführung unter regelmäßigem Richtungswechsel
zwangsläufig zum Ziel, dem Mittelpunkt gelangt.
Es ist eine perspektivische Illusion, die Frentzel hier durch
dynamische Raumfluchten betont und der er einen realen Zeit-Raum
entgegenstellt, indem er auf den Metallplatten einen Prozess
zugelassen hat, der anhand des Rostes ablesbar wird. Gunter
Frentzel im persönlichen Gespräch: Natürlicher Rost
wirkt wie Samt; hört irgendwann auf zu rosten.
Meine Damen und Herren: Stäbe im Raum - ein spannendes
Thema, das ich in dieser Ansprache nur punktuell beleuchten
konnte. Lassen Sie mich schließen mit dem Aspekt des
Gleichgewichts.
Das Gleichgewicht kann nur finden, wer im
Überschreiten seiner Grenzen ebendiese kennen lernt. Das ist ein
dynamisches, riskantes Unterfangen.
"Es war, neben der Geistigen, auch eine große
Herausforderung an den Körper! Eine Tonne Stahl
"beherbergt" jetzt die Kunsthalle. Ohne meine Mitarbeiter
(Til Frentzel und Werner Stebler) wäre es gar nicht möglich
gewesen, diese Ausstellung in so kurzer Zeit einzurichten! Drücken
wir alle die Daumen, dass keiner die Stäbe berührt, damit man den
Dialog RAUM-SKULPTUR, genießen kann."
(G. Frentzel).
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Gunter Frentzel:
Stäbe im Raum
Öffnungszeiten
Wegbeschreibung
Ansprache bei der Vernissage
Bilder der Ausstellung
Pressebericht:
Der grazile Rhythmus der Stäbe
Badische Zeitung, 17.10.2013
Kurzbiographie Gunter Frentzel

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