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Ansprache von Roland Phleps anlässlich der
Ausstellungseröffnung
Michael Danner
"Offene Räume"
am 14. März 2010 in der
Skulpturenhalle der
Stiftung für Konkrete Kunst Roland Phleps
in Freiburg
Lieber Michael Danner,
mit herzlicher Freude begrüße ich Sie in der Halle unserer
Stiftung zur Eröffnung Ihrer Ausstellung; zugleich bedauere ich,
dass Ihre Frau wegen feststehender Termine heute nicht anwesend
sein kann.
Unser Kontakt besteht erst seit acht Monaten. Sie schickten mir
einen Ausstellungskatalog zu mit Aufnahmen von Skulpturen und
Zeichnungen, die mir auf den ersten Blick gefielen und mich
veranlassten, Sie nach Freiburg einzuladen, um sich unsere Halle im
Hinblick auf eine Ausstellung anzusehen. Dann folgte mein Besuch in
Ulm und in Ihrem Atelier in Oberdrackenstein auf der Alb. Jetzt ist
die Ausstellung aufgebaut, von der wir hoffen, dass sie in Freiburg
reges Interesse und Anklang finden wird.
Meine Damen und Herren, Sie erwarten ein paar Angaben zur Vita
des Künstlers und eine Einführung in sein Werk.
Michael Danner ist 1951 in Neu-Ulm zur Welt gekommen, er steht
also mit weniger als sechzig Jahren in einem Alter, in dem
Jugendfrische und Reife zusammenkommen. Er hat 1972 bis 1977 an der
Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart und
gleichzeitig von 1973 bis 1977 Kunstgeschichte an der Universität
Stuttgart studiert. 1989 hatte er ein Stipendium für einen
Arbeitsaufenthalt in Kalifornien. Von 1978 an hat er alljährlich
und in einer großen Zahl von Galerien in Deutschland, Österreich,
den Vereinigten Staaten, Russland und China Einzelausstellungen
gehabt. Er ist seit 1996 Gastprofessor an der Central China Normal
University von Wuhan in China. Er lebt und arbeitet in Ulm und in
Oberdrackenstein.
Ich verweise auf die detaillierten Angaben auf der Schautafel in
der Nähe des Halleneingangs.
Im Lauf seiner mehr als drei Jahrzehnte umfassenden
künstlerischen Arbeit hat Michael Danner ein umfangreiches
Œuvre geschaffen und verschiedene Phasen des künstlerischen
Ausdrucks durchlaufen; er hat in Holz, in Stein und Federstahl, mit
Farbe und den Nichtfarben schwarz und weiß gearbeitet. Auch reizt
ihn immer wieder die Performance, nämlich die Darstellung von
Veränderung seiner Objekte bis hin zur Zerstörung. Hierauf musste
in dieser Ausstellung naturgemäß verzichtet werden, ebenso wie auf
eine rückblickende Darstellung der gesamten Entwicklung des
Künstlers. Einen Hinweis auf seine fernöstlich mitbestimmte Denk-
und Vorstellungsweise geben die Zitate auf der zweiten
Schautafel.
Ich möchte jetzt versuchen, das Besondere und das Wesentliche der
Kunstwerke von Michael Danner herauszuarbeiten. Es äußert sich in
zwei Bereichen, die auf einander bezogen sind, nämlich im sichtbar
gemachten Wechselspiel der Kräfte und zweitens in der
Auseinandersetzung mit dem Raum. Die hier ausgestellten Werke
sollen hierfür Anschauung sein und zugleich Prüfstein dafür, ob
meine Aussagen zutreffen.
Erstes Thema: Das sichtbar gemachte Wechselspiel der Kräfte
Künstler und Betrachter eines Kunstwerks haben einen gemeinsamen
Schatz an Erfahrungen, ein gemeinsames Vokabular, was eine
Verständigung und ein Verständnis überhaupt erst
ermöglicht. Beispiel: Einen Quader aus Granit, etwa als Sockel
einer Skulptur, erkenne und erlebe ich als schwer und stabil, auch
ohne versucht zu haben, ihn anzuheben. Einem gleichgroßen Sockel
aus durchsichtigem Plexiglas hingegen traue ich Stabilität
vielleicht erst zu, sobald ich sie selbst erprobt habe. - Nur
wer einmal die Schnellkraft eines Bogens beim Pfeilschießen
ausprobiert hat, erkennt die Spannung im gebogenen Holz.
Das alles erscheint Ihnen selbstverständlich und banal. Es ist
aber von entscheidender Wichtigkeit für das Begreifen von
Konstruktion und Ästhetik der Skulpturen aus Stein und Federstahl,
die Michael Danner hier ausstellt, also für das mentale Erfassen
und das emotionale Erlebnis. Ob die Bogenform eines Eisenstabs
geschmiedet oder gegossen und damit fixiert ist, oder ob die
Bogenform das Resultat einer verformenden Krafteinwirkung, also
Ausdruck einer Spannung ist, kann in der alltäglichen Realität wie
im Kunstwerk gezeigt und erkannt oder gar nicht bemerkt werden.
Die Verformung der Federstahlstäbe der Skulpturen von Michael
Danner unter der Einwirkung einer Last führt nicht nur dazu, dass
die Schwere der Last und der Widerstand des Stahls gegen die
Verformung sichtbar und erlebbar werden, es resultiert darüber
hinaus eine Kurve im Raum, die wir als notwendig, als richtig, als
harmonisch und schön erleben können. Die homogene molekulare
Struktur des Federstahls brauchen wir nicht zu kennen, um uns am
Kunstwerk zu freuen.
Spannung und Gleichgewicht, Widerstreit und Harmonie sind die
scheinbaren Gegensätze, die der Künstler zusammenführt und zu
Elementen seiner Kunst macht. Die Polarität ist etwas
Fundamentales, ist ein Kennzeichen alles Lebendigen, ist
darstellungswürdig.
Wer die Werke aus Stein und Federstahl von Michael Danner gesehen
hat, erkennt enge Beziehungen zu seinen Tuschezeichnungen. Er wird
in den Zeichnungen nicht nur geometrische Elemente erkennen,
sondern die Bögen als unter Spannung ziehend empfinden, und ihre
Stabilisierung der Verbindung zu statisch beharrenden Strukturen
zuschreiben.
Das waren meine Ausführungen zum sichtbar gemachten Wechselspiel
der Kräfte. Ich komme zum zweiten Thema, zur Auseinandersetzung des
Künstlers mit dem Raum. Die Wichtigkeit dieses Themas im Denken und
Gestalten von Michael Danner ergibt sich schon aus der Wahl des
Titels für diese Ausstellung, "Offene Räume".
Ich zitiere aus dem Essay mit der Überschrift "Offene
Skulptur und Raum", der sich in meinem Bildband
"STAHLSKULPTUREN V" findet:
"Eine offene Skulptur, die mich hauptsächlich
beschäftigt, hat auch Innenraum, schließt Raum ein und greift in
den Raum. Ich möchte sagen: Wenn die offene Skulptur geglückt ist,
sehen wir dort, wo vorher nur Luft war, den
Raum."
Der Raum, den der Künstler gestaltet, ist ein umgrenzter Raum,
auch dort, wo er in den unbegrenzten Raum übergeht. Das Kunstwerk
kann auf den unendlichen Raum verweisen, wie die geniale
"Säule ohne Ende" von Constantin Brâncuşi.
Fragen wir uns, ob Werke der bildenden Kunst allein dem Bereich
des Sichtbaren und Fasslichen zugehören, oder ob sie auch in einen
Bereich des Spekulativen gehören, der sich der Beschreibung ebenso
entzieht wie einer kritischen Prüfung. Ich verweise noch einmal auf
die Tafel mit den Statements von Michael Danner.
Finde ein jeder seine Antwort, freue sich jeder über seine
Freiheit, sagen zu dürfen, was ihm gefällt, anzunehmen oder
abzulehnen und dem Nachbarn seine Meinung zu lassen. Stimmt er aber
mit seinem Nachbarn im Urteil überein und freut sich mit ihm am
Kunstwerk, so ist der Künstler "in ihrem Bunde der
Dritte".
Meine Damen und Herren, Sie sind meinen Ausführungen aufmerksam
gefolgt, dafür danke ich Ihnen. Wenden Sie jetzt Ihre
Aufmerksamkeit den ausgestellten Werken zu, denn die sind die
Hauptsache. Zuvor soll uns noch Delphine Gauthier-Guiche mit ihrer
Musik beflügeln.
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Michael Danner:
Offene Räume
Einladung
Wegbeschreibung
Ansprache bei der Vernissage
Skulptur "Labiler Halt I"
Bilder der Ausstellung
Kurzbiographie

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