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Ansprache von Roland Phleps
am 25. März 2007
anlässlich der Eröffnung der Ausstellung
Ulla Ströhmann: "Leuchtende Farbfelder"
in der
Stiftung für Konkrete Kunst Roland Phleps
in Freiburg
Sehr verehrter Gast, liebe Frau Ströhmann,
es ist mir eine große Freude, Sie hier in Freiburg in der
Ausstellungshalle unserer Stiftung zu begrüßen, und diese Freude
teile ich mit der Vorfreude unserer zahlreichen Besucher, die
unserer Einladung zur Eröffnung Ihrer Ausstellung "Leuchtende
Farbfelder" erwartungsvoll gefolgt sind.
Ehe ich unseren Gästen Ihre Biografie vorstelle und zu Ihrem Werk
etwas sage, möchte ich kurz zurückblicken. Unsere Stiftung für
Konkrete Kunst hat sich im Frühjahr 1999 erstmals in dieser von
Architekt Detlef Sacker konzipierten und unter der Bauleitung von
Architekt Jens Pasche errichteten Halle der Öffentlichkeit
präsentiert und seither, der Stiftungssatzung entsprechend, drei-
bis viermal jährlich Ausstellungen mit Werken geladener bildender
Künstler veranstaltet, die der Konkreten Kunst nahe stehen. Die
Bekanntheit unserer Aktivitäten hat von Jahr zu Jahr zugenommen,
nicht zuletzt über breite Informationen im Internet, und das
Interesse zahlreicher Künstler, hier ihre Werke zu zeigen,
übersteigt bei Weitem unsere Kapazitäten. Die Unabhängigkeit und
Eigenständigkeit unserer Stiftung, gerade auch in der Gestaltung
des Ausstellungsprogramms, bildet eine wichtige Grundlage unserer
Arbeit und unserer Freude daran.
Als Sie sich, liebe Frau Ströhmann, vor einem Jahr mit einer
Anfrage an mich wandten und mir Bildmaterial zukommen ließen, haben
Sie mein Interesse geweckt, nicht zuletzt wegen der Besonderheit
Ihrer Maltechnik, und mich so veranlasst, Sie in Köln
aufzusuchen. Was Sie mir in Ihrem Atelier zeigten, war genug, Sie
nach Freiburg einzuladen, und bei meinem zweiten Besuch in Köln vor
wenigen Wochen konnten wir uns leicht auf das von Ihnen vorgelegte
Konzept der Ausstellung verständigen. - Jetzt können wir nur
hoffen, dass die Realisierung dieser Ausstellung die Offenheit und
die Zustimmung unserer Besucher findet und darüber hinaus Freude
weckt.
Lassen Sie mich in aller Kürze zur Information unserer Besucher
Ihre wichtigsten biografischen Daten nennen. Ulla Ströhmann ist
als Älteste von sechs Schwestern in Düsseldorf-Kaiserswerth
zur Welt gekommen. Ein Großvater war Möbelrestaurator, die Mutter
Glasmalerin. Erst mit dreißig Jahren konnte sie ihr Studium
an der Kölner Fachhochschule für Kunst und Design aufnehmen; ihre
Lehrer waren Prof. Peter Scubic und der Bildhauer Sir Eduard
Paolozzi. Sie arbeitete nach dem Studium als freischaffende
Künstlerin, es entstanden teils großformatige Plastiken aus
Drahtgewebe, mit geleimtem Papier ummantelt und Anklängen an
organische Formen. Seit Anfang der neunziger Jahre konzentriert
sich Ulla Ströhmann auf Malerei und die Auseinandersetzung mit der
Farbe und ihrer Leuchtkraft. Sie hat ihr Atelier im Kunsthaus
Rhenania in Köln. Die Auflistung ihrer Einzel- und
Gruppenausstellungen, vorwiegend im Raum Köln, finden Sie, meine
Damen und Herren, an der Wand im Eingangsbereich der Halle.
Wenden wir uns jetzt der Hauptsache zu, nämlich den in unserer
Ausstellung präsentierten Werken, die von der Künstlerin als
Bildobjekte bezeichnet werden. Wir haben es durchweg mit
ungegenständlichen, starkfarbigen, rahmenlosen, auf Holzplatten
gemalten Bildern zu tun, die durch rechtwinkelig begrenzte
Farbflächen strukturiert sind, häufig mit einer senkrechten
mittelständigen Symmetrieachse oder als Diptychon
zweiteilig-symmetrisch komponiert. Dieses Ordnungsprinzip gibt den
Bildobjekten Ruhe und Ausgewogenheit, die sich dem Betrachter
mitteilt. Einer drohenden Starre, Einförmigkeit oder gar
Langenweile entgeht die Künstlerin durch ihren Einsatz der Farbe,
so wie ein Komponist über den Rhythmus eines basso ostinato seine
bewegte Melodie setzt. Aus der Vereinigung von Gegensätzlichem
erwächst eine spannungsvolle Harmonie. Die Alten Griechen haben in
ihrer Mythologie hierfür eine geglückte Erklärung gefunden:
Harmonia ist die Tochter der Liebesgöttin Aphrodite und des
Kriegsgottes Ares, sie entstammt also einer an sich verbotenen,
weil ehebrecherischen complexio oppositorum, der Verflechtung der
Gegensätze.
Es ist an der Zeit, über den Umgang von Ulla Ströhmann mit der
Farbe zu sprechen. Sie hat eine schon in der Antike angewandte
Maltechnik aufgegriffen und weiterentwickelt, nämlich die
Enkaustik, als "Einbrennen" zu übersetzen. Dabei werden
die Pigmente organischer oder mineralischer Herkunft in erhitztem
und geschmolzenem Bienenwachs gelöst und auf den Malgrund, meist
eine präparierte Holzplatte, mit dem Pinsel aufgetragen, und zwar in
mehreren Schichten. Das erkaltete Wachs konserviert die Farben und
ihre Leuchtkraft und ermöglicht die Reflexion des Lichtes aus der
Tiefe der Malschichten durch das vorgelagerte Pigment
hindurch. (Botaniker kennen dieses Prinzip von bestimmten
Blütenblättern, etwa der Butterblume, die unter der Pigmentschicht
lichtsammelnde und reflektierende kugelförmige Stärkekörnchen
haben.)
Dieser Reflexionseffekt kann im Bild durch in das Wachs
eingearbeitetes Blattmetall, nämlich Silber, Aluminium oder Kupfer,
verstärkt werden, und das ist eine der Weiterentwicklungen der
enkaustischen Maltechnik, zusammen mit der Komposition von farbigen
Enkaustikflächen mit ganzen Flächen von Blattmetall unter farblosen
Wachs- oder Lackschichten. Eine weitere Möglichkeit, die Flächen
der Bildkomposition zu beleben, findet die Künstlerin darin, die
Wachsoberfläche in unterschiedlichem Maß und wechselnder Weise
aufzurauen, zu wischen oder zu zerkratzen. Der Duktus der malenden
und frei gestaltenden Hand ist zu erkennen und bildet das
Gegengewicht zur Strenge der mit dem Lineal gezogenen
Begrenzungslinien.
Meine bisherigen Ausführungen zu den Bildobjekten der Künstlerin
scheinen mir zwar wichtig, aber vordergründig, nicht wesentlich
genug, sie reichen mir nicht aus. Ich schweife kurz ab, um das zu
begründen. Im vergangenen Jahr bin ich mit einem siebenjährigen
Jungen und seiner zehnjährigen Schwester, nachdem ich die Eltern
weitergeschickt hatte, durch die hier gezeigte
Ausstellung von H. D. Bohnet - "Würfel- und Kugelobjekte"
gegangen, wir hatten ein lebhaftes Gespräch, und zum Schluss
fragte ich: "Was meint ihr, warum der Künstler das alles
gemacht hat?" Die Antwort des Mädchens kam prompt: "Weil
er das verkaufen will!" Der Bub dachte nach und sagte dann
einen Satz, der in seiner Naivität das Höchstmaß an Wahrheit
erreichte: "Weil es schön ist."
Warum erzähle ich das? Weil wir als Künstler und als Betrachter
von Kunst fundamentale Fragen stellen und uns ihnen stellen
sollten. Liebe Frau Ströhmann, Sie gestalten mit Farbe, Sie leben
mit der Farbe, Sie könnten ohne Farbe nicht leben - aber was ist
Farbe, und warum ist uns Farbe existenziell wichtig?
Die Frage nach dem Wesen der Farbe wurde vor einigen Jahren auf
einem Symposion in Erfurt von Künstlern der Konkreten Stilrichtung
diskutiert. Es war von Spektralfarben und Pigmentfarben die Rede,
von Wellenlängen, Kontrast- und Komplementärfarben, Absorption und
Reflexion, Harmonie und Dissonanz - dann meldete ich mich zu Wort
und sagte, dass wir uns dem Wesen der Farbe erst nähern könnten,
wenn wir sie als Erlebnis begriffen und als Ausdruck, wozu ich als
Psychiater etwas sagen könne: Eine mir noch nicht bekannte
Patientin kam ins Sprechzimmer, setzte sich und sagte: "Herr
Doktor, ich bin blind." Vielleicht hätten Sie angesichts der
offensichtlich nicht blinden Frau gedacht, "die
spinnt". Ich sah, dass die Frau litt und fragte: "Wie
meinen Sie das?" Sie erklärte mir, dass sie natürlich sehen
könne, dass der Himmel blau sei, aber für sie nicht mehr BLAU! Sie
meinte den Verlust des emotionalen Erlebnisses der Himmelsbläue,
und dieser Verlust war so essenziell, dass sie ihn als Blindheit
erlebte. - Es handelte sich um eine rasch zu erkennende schwere
Depression.
Als zusätzliches Argument für die Farbe als emotionale Qualität,
sogar unabhängig von sichtbarer Farbe, zitierte ich ein Gedicht,
ein von Garcia Lorca aufgezeichnetes andalusisches
Zigeunerlied:
"Ay! Eres el cuchillo en mi herida. Que rocho mi
canto, que rocho!"
"Oweh! Du bist das Messer in meiner Wunde. Wie rot
mein Gesang, wie rot!"
Ich bin kein Maler, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass der
künstlerische Einsatz von Farbe möglich sei, ohne emotionalen
Ausdruck zu intendieren, der im Betrachter wiederum Emotionen
weckt. Die Farbpalette enthüllt das Wesen des Künstlers.
Machen wir uns jetzt auf den Weg zu den Farbkompositionen von
Ulla Ströhmann, bereit zur Resonanz. Ihnen, liebe Frau Ströhmann,
wünsche ich ein vielfaches Echo!
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Ulla Ströhmann:
Leuchtende Farbfelder
Einladung
Wegbeschreibung
Ansprache bei der Vernissage
Enkaustik mit Blattmetall auf Holz
Bilder der Ausstellung
Kurzbiographie

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