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STIFTUNG FÜR KONKRETE KUNST ROLAND PHLEPS
FREIBURG-ZÄHRINGEN, POCHGASSE 73
 
 

 

Ansprache von Roland Phleps am 24. September 2006
anlässlich der Eröffnung der Ausstellung
Peter Jacobi:   Skulpturen   Fotografien
in der Stiftung für Konkrete Kunst Roland Phleps in Freiburg

 

Verehrter Gast, lieber Peter Jacobi,

ich begrüße Sie herzlich zur Eröffnung dieser Ausstellung mit einer Auswahl Ihrer Werke. Es ist mir persönlich eine große Freude, Sie nicht allein als Künstler hier zu sehen, der der Konkreten Kunst nahe steht, vielmehr begrüße ich als gebürtiger Siebenbürger Sachse aus Hermannstadt Sie als Landsmann, dessen Wurzeln nach Schäßburg in Siebenbürgen reichen. Wir haben nicht nur eine ähnliche Wellenlänge im Bereich der Kunst (wenn auch mit dem Unterschied zwischen dem Profi und Professor hier und dem Dilettanten da), sondern auch die gemeinsame siebenbürgisch-sächsische Muttersprache, die wir als Kinder noch vor dem Schriftdeutschen gesprochen und die wir in vielen Jahrzehnten nicht verlernt haben. Mer från ås iwwer ås Begenung und ås gat Zesummenarbet!

Meine Damen und Herren, in aller Kürze nenne ich Ihnen ein paar biografische Daten von Peter Jacobi, sage etwas über sein Werk und über die Exponate dieser Ausstellung und versuche zuletzt, den geistigen Hintergrund seiner künstlerischen Arbeit aufzuzeigen, so wie er sich mir darstellt.

Peter Jacobi ist als Sohn deutscher Eltern in Rumänien 1935 zur Welt gekommen, er hat, wie ich, in Hermannstadt das Brukenthal-Gymnasium absolviert und hat von 1954 bis 1961 an der Kunstakademie Bukarest Bildhauerei studiert. Er hatte als Künstler Erfolg und konnte 1970 an der Biennale in Venedig teilnehmen. Er entschloss sich, nicht in die kommunistische Ceausescu-Diktatur zurückzukehren, kam nach Deutschland und erhielt schon 1971 eine Professur an der Hochschule für Gestaltung in Pforzheim, die er bis zur Pensionierung 1998 innehatte. Er lebt und arbeitet in Wurmberg bei Pforzheim.

Peter Jacobi hat im Lauf von Jahrzehnten eine große Anzahl von Ausstellungen in Deutschland und im Ausland gemacht. Ich nenne Regensburg, Heilbronn, Nürnberg, Mannheim, Baden-Baden, Oldenburg, im Ausland Bukarest und Craiova, Venedig und Mailand, Aalborg und Stockholm, Paris und London, Detroit und Los Angeles, Melbourne und Sydney. Er ist mehrfach ausgezeichnet worden und ist in vielen öffentlichen Sammlungen vertreten.

Vor wenigen Wochen hat er den öffentlichen Wettbewerb für die Gestaltung des Nationalen Holocaust-Memorials in Bukarest gewonnen und den Auftrag für dessen Ausführung erhalten. Dieser Erfolgt ist umso bemerkenswerter, als er die Unabhängigkeit der Jury von nationalen Gesichtspunkten und die Akzeptanz der ungewohnten konstruktiven Idee des Künstlers zeigt. Ich zähle nicht nur zu den zahlreichen Gratulanten, vielmehr habe ich Peter Jacobi die Gelegenheit bieten können, ein Stahlmodell dieses Mahnmals in unserer Ausstellung den hiesigen Kunstinteressierten vorzustellen.

Ich komme zum zweiten Teil meiner Ausführungen, nämlich dem Hinweis auf die Exponate. Sie sehen hier in der Halle Skulpturen aus Bronze, Eisen und Edelstahl; oben auf der Galerie Steinskulpturen, das Modell des Holocaust-Mahnmals und eine große Zahl von gerahmten Fotografien, die in mehreren Themengruppen zusammengefasst sind.

Der Raum dieser Halle wird beherrscht von dem 4,20 Meter hohen Säulenpaar aus Edelstahlblech an der Stirnseite. Sie erkennen den modularen Aufbau aus planen und zylindrisch gewölbten verschweißten Rechtecken in vier Stockwerken, Sie erkennen, dass die beiden Säulen identisch sind, aber im Wechsel von unten und oben einander zugeordnet sind, so dass sie gleichsam ineinander greifen. Sobald die Stühle weggeräumt sind, können Sie das Säulenpaar aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten und die lebendige Änderung des Zusammenspiels verfolgen.

Auch die drei schlanken Säulen aus Bronzeguss sind modular aufgebaut, wobei das Spiel mit den Variationen der unterschiedlichen Positionen und Kombinationen die Gesamtgestalt lebendig, aber nicht verspielt erscheinen lässt. Am leichtesten ist der Aufbau der elfstöckigen Pforzheimer Säule zu erkennen, deren Ausführung in achteinhalb Metern Höhe vor dem Pforzheimer Landratsamt steht, allerdings nur siebenstöckig und entsprechend wuchtiger.
Auch die anderen Bronzesäulen hat der Künstler in großen Abmessungen ausgeführt. Die Säule, die neben dem Bau des Bukarester Memorials zu stehen kommt, wird über zwanzig Meter hoch sein. Alle diese Säulen sind auf den großen Meister bezogen, der am Anfang der konstruktiven Kunst steht - auf Constantin Brâncuşi, mit seiner "unendlichen Säule" in Tîrgu Jiu, die nur Wenigen "von Angesicht zu Angesicht" bekannt und ein gewaltiges Erlebnis ist.

Lassen Sie sich Zeit, meine Damen und Herren, den konstruktiven Aufbau dieser Säulen aufzuschlüsseln, ebenso den der hier gezeigten Bronzeringe, teils liegend, teils stehend, paarweise verhakt oder verwunden. Die auf der schwarzen Plinthe liegenden Bronzeplatten greifen das Thema des Grabmals auf, dem ich mich jetzt im dritten Teil meiner Ausführungen zuwenden will.

Zuvor mache ich aber einen etymologischen Exkurs, der für das Verständnis des Œuvres von Peter Jacobi wichtig ist. Bitte achten Sie, meine Damen und Herren, auf die folgenden Sätze.

Die indogermanische Wortwurzel *men- oder MN steht in allen indogermanischen Sprachen für Denken und Gedenken,
im Altgriechischen ist "mnema" das Gedächtnis, das Andenken, die Erinnerung,
im Lateinischen heißt "memini" sich erinnern, daran denken,
"memoria" das Gedächtnis,
"monumentum" das Denkmal, das Andenken,
im Deutschen ist "mahnen" zugleich erinnern und
das "Mahnmal" das gesetzte Zeichen für Erinnern und Gedenken,
im Rumänischen ist "mormînt" nicht nur das Grabmal, sondern das Grab schlechthin als Ort des Totengedenkens.

Das Thema Monument, Memorial, Mahnmal hat Peter Jacobi über Jahrzehnte beschäftigt, es bestimmt sein Gesamtwerk. Grabmal und Denkmal treten auf in Gestalt des aufragenden Pfeilers oder der Säule, die nach oben weist, aber auch in Gestalt des liegenden Steins, der zur Erde gehörenden gestuften Fläche. Auch die Verbindung von Oben und Unten darzustellen ist Thema des Künstlers. Ich weise Sie, meine Damen und Herren, auf die beiden Denk-Male für Claus Graf Staufenberg hin, die auf den großen Fotos dort oben zu sehen sind: Stahlrohr und halb mit Wasser gefüllter Betonschacht mit Spiegelungen, und der sarkophagähnliche, groß kanellierte Stein, ebenfalls halb mit Wasser gefüllt und halb mit einer Glasplatte bedeckt, den Himmel und den Betrachter spiegelnd.

Das für das Zentrum von Bukarest vorgesehene Mahnmal zum Gedenken an die Opfer eines mörderischen Wahns, für Juden und Roma, besteht aus einem durch einen niederen Eingang zu betretenden halb unterirdischen Raum, durch dessen geschlitzte Decke das wandernde Sonnenlicht in Streifen auf den granitenen Boden fällt und Zeitablauf erfahrbar macht. Der Bau ist umgeben von einem begehbaren Graben, dessen Wände Namen von Opfern und Vernichtungsorten tragen, und neben dem Bau finden sich der Davidstern und das Rad als Zeichen für die Ermordeten, überragt von der himmelweisenden Säule, die der gestaltgewordene Ruf ist "METANOEITE - bereuet im Gedenken."

Dem Thema Gedenken und Dauer korrespondiert das Thema Vergessen und Vergänglichkeit. Die Fotografien von Peter Jacobi greifen es auf. Es sind Bilder vom verfallenden Westwall in der südlichen Pfalz, Bilder von dem aus Trümmern der zerstörten Stadt Pforzheim aufgeschütteten Berg, der eine Lichtkrone tragen kann, Bilder von zerstörten technischen Anlagen, die in den Schoß der Natur sinken - Bilder der Trauer und der Akzeptanz der Hinfälligkeit, aber auch von ästhetischem Reiz.

Besonders bewegt haben mich die sechs Bilder aus einer größeren Serie vom Verfall siebenbürgischer evangelischer Kirchen, Zeichen des Endes einer stolzen eigenständigen deutschen Vergangenheit von achteinhalb Jahrhunderten an der östlichen Grenze des Abendlandes.

Wir leben, lieber Peter Jacobi, in einem fundamentalen Widerspruch: Wir arbeiten, mit Händen und Geist, an Werken für morgen und übermorgen, und wir wissen um die Vergänglichkeit, die wir als conditio humana bejahen. Und in dieser Bejahung gründet sich unsere Zuversicht: VERGÄNGLICH, DOCH NICHT VERGEBLICH.

Meine Damen und Herren, Sie sind meinen Ausführungen aufmerksam gefolgt, dafür danke ich Ihnen. Und nun wünsche ich Ihnen und Peter Jacobi Ihr Interesse an unserer Ausstellung.