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Roland Phleps:
Ansprache zur Eröffnung der Ausstellung
"Die Leichtigkeit des Stahls"
am 9. November 2003
Liebe Freunde unserer Stiftung, meine Damen und Herren!
Sie sind es gewohnt, dass ich bei der Eröffnung einer Ausstellung den
eingeladenen Künstler und sein Werk vorstelle. Heute ist es anders,
heute gilt die Ausstellung einer Auswahl meiner eigenen Skulpturen. Ich
nehme diese Ausstellung zum Anlass, mit Ihnen auf zwölf Jahre meiner
Arbeit zurückzublicken, die gekennzeichnet sind durch die Freude am
Gestalten. Diese Freude erwächst aus der Freiheit des Spiels, das
zugleich ernsthaftes, zielstrebiges Bemühen einschließt.
Ich habe mich ein Leben lang an Werken der Kunst erfreut, vor allem an
Werken der Architektur und der räumlichen bildenden Kunst. Selbst etwas
zu machen, was als Kunstwerk gelten könnte, war nicht mein
Ziel. Versuche mit geometrisch definierten Bauelementen, aus Papier
geschnitten, entsprangen einem spielerischen Antrieb, erfolgten
"per il mio diletto". Vor zwölf Jahren wählte ich erstmals
Stahlblech als Material für meine Module; es war eine glückliche Wahl,
die mir eine Fülle gestalterischer Möglichkeiten erschloss, zusammen
mit der Laser-Schneidetechnik und modernen Schweißverfahren in der Hand
sachkundiger, hilfsbereiter Meister.
Mit Konkreter Kunst habe ich mich erst befasst, nachdem ein
befreundeter Maler angesichts meiner ersten, im Garten aufgestellten
Skulpturen ausrief: "Das ist ja Konkrete Kunst!" und ich
auf seine Frage, ob ich Max Bill kenne, ebenso naiv wie selbstbewusst
entgegnete: "Wer ist Max Bill? Ich bin ungeBILLdet!"
Heute könnte ich hinzufügen "Ich bin unverbildet", und
damit meine kritische Distanz gegenüber dogmatischen Prinzipien und
starrem Formalismus betonen, die nicht selten in Werken Konkreter Kunst
zum Ausdruck kommen und langweilen, ganz zu schweigen vom
ideologischen Ballast in den Anfängen dieser Stilrichtung.
Die Konkrete Kunst bejahe ich wegen ihrer Befreiung vom
"Imitationszwang", also dem Nachbilden oder der Abstraktion
der natürlichen, der bereits vorhandenen Welt, was die Möglichkeit
eigener Kreationen eröffnet, und ich bejahe sie wegen ihres Prinzips,
geometrische, also rein geistige Elemente zum "Material"
der konstruierten Werke zu wählen.
Andererseits hat mir mathematische und konstruktive Perfektion nicht
ausgereicht, einem Werk den Rang eines Kunstwerks zuzugestehen. Hierfür
sind meines Erachtens ästhetische Qualitäten entscheidend, die ich mit
den Attributen lebendig, musikalisch oder poetisch bezeichnen
möchte. Das lässt sich zwar ermessen, aber nicht nachmessen. So flüchte
ich mich zu Goethe: "Wenn Ihr's nicht spürt, Ihr werdet's nicht
erjagen"
Aus den Erfahrungen dieser zwölf Jahre habe ich gelernt, und ich glaube
auch, dass sich in diesem Zeitraum eine Entwicklung vollzogen hat. Das
bezieht sich nicht so sehr auf die Qualität der Werke (denn es hat zu
jeder Zeit geglückte und weniger gelungene, auch missglückte Skulpturen
gegeben), vielmehr auf die künstlerischen Zielsetzungen. Einer meiner
Zielvorstellungen gilt die hier gezeigte Auswahl von Skulpturen, die
unter dem Motto "Die Leichtigkeit des Stahls" steht.
Mit Leichtigkeit meine ich natürlich nicht eine physikalische Größe,
sondern ein Kennzeichen von Gestalt und Bewegtheit der gezeigten
Skulpturen. - Meistens sind es offene Skulpturen, die
zugleich im Raum stehen und Raum einschließen. Sie haben Volumen, aber
keinen Körper mit seiner Schwere, sie sind eigentlich aus Licht gebaut.
Zur Leichtigkeit trägt bei, wenn sie nur eine kleine Standfläche haben,
von der sie nach oben streben, manchmal in tänzerischer Bewegung.
Vielleicht kommt in der Auswahl der Skulpturen unter dem Gesichtspunkt
ihrer Leichtigkeit am sichtbarsten zum Ausdruck, was ich anfangs
nannte: die Freude am Spiel. Es ist ein Spiel mit rationalem
Hintergrund, aber ein Spiel in großer gestalterischer Freiheit, ein
Spiel, das mir zur Leidenschaft geworden ist und noch kein Ende
findet. Wenn das nicht nur eine verbale Aussage ist, sondern sichtbar
und nachfühlbar wird, habe ich erreicht, was über den Künstler und sein
Werk hinausweist - den Widerhall.
Ich schließe mit einem wohlbekannten Zitat:
"Der Worte sind genug gedrechselt - jetzt lasst uns
Bleche sehn!"
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